20110622

#172 mit gisbert schürigs oberton-impro-trio im , wahlenstrasse 9/11, köln

schon witzig, diese hausnummer mitten in köln-ehrenfeld: 9/11
aber gisberts oberton-trio, das sind keine under-cover-terroristen, das sind terroristen des obertongesangs.  zumindest, was ihre absicht angeht:

nämlich obertonsingen nicht ausschliesslich als meditationsmusik zu betrachten, sondern diese technik als musikalisches element im gesang zu benutzen und nicht einfach pur zur schau zu stellen, damit man sagen kann: aha, die können das.

dahin könnte es jedenfalls kommen mit diesen jungen musikern, von denen einer, thierry, ein nordfranzose, das  <fleur de coeur> als idee eines offenen raumens betreibt, den man zu allem nutzen kann, was ruhe und geist verbreitet: massagen, sprachunterricht, mantra-singen und eben ab und zu auch ein konzert der besonderen art.

wir warten noch auf zuhörer, eine frau (tina) im rollstuhl schiesst solange fotos vom ensemble #172, ich liege dabei samt cello quer vor den anderen dreien am boden.
 
am ende sind es sechs zuhörer, die sich auf den runden, bunten kisselchen vor uns niederlassen.

für die drei ist es das erste öffentliche konzert.

ich beginne mit einem leisen vibrato-gesang, von den dreien kommen tiefe, hauchige töne, etwas wie löwengähnen, dann gibt es einen weckenden spritzer dazwischen, von mir eine art <wuff>, das wecken soll. gisbert bringt perkussives rein, für kurz ist das konzert sehr <modern>, immer wieder kippt das ganze dann zurück in die kompetenz  der drei obertonsänger und in modale ruhe. auch in atemgeräusche oder wohliges grummeln oder die einstimmung eines gregorianischen männerchores. aber wenn es auch nach vorbereitung wofür auch immer klingt, ist es doch konzentriert und also musik.
 
mit dem cello unterstütze ich zupfend, dann sage ich <schöön>, spiele mit dem ö, im hintergrund haucht es, dann entsteht ein zupf-duo zwischen gitarre und cello, wieder hört man schön,schön, es tönt, schön wärs, hört her, das schöne hört, das meer hört....dann triolen über dem oberton-chor.

ein erneutes intermezzo für perkussives, sprache: von schön bis öl bis meer, das öl schwimmt auf dem meer, mehr öl schwimmt auf dem meer, immer mehr öl schwimmt schön auf dem meer, hört her, hört her, immer mehr, nicht mehr...es fliesst wieder zurück in jetzt lauteren und lauteren ober-und unterton-gesang, eine handvoll mönche um ein wildes tier, ich unterstütze mit dem cello, dann übertöne ich das vokale meer der tiefe mit einem kurzen, tiefen solo, begleite nochmals mit einem höheren, neuen, dann kommt die gitarre zum tragen, lässt frieden und harmonie einkehren. ich singe dazu. der groove kippelt, dann wirds wieder solider.

ein zwischenstopp wird per pizzicato eingeleitet, orientierung, vogelgezwitscher, das cello imitiert flatternden flügelschlag, einige oberton-mönche scheinen wegzudämmern, räuspern im publikum, ein radio-app, <finde ich lustig>, heiterer singsang obendrüber: jetzt passiert eine wesentliche trennung von chor und mir.

ich bleibe beim heiteren, rhythmisch gewordenen  singsang, drunter sich die mönchs-adepten vergnügen. diese passage ist vermutlich die beste, die gewagteste, die dynamischste des ganzen konzertes, aufgefangen oder abgefangen von der gitarre gisberts. erneut kehrt ruhe ein, diesmal für länger.  

ich nehme  diese jam-nahe passage nicht als durchhänger wahr, mag sogar das schleppende an dieser stelle, und daß die hoch-geschleiften pizzikatos, die an bottleneck-technik erinnern, die latente müdigkeit des konzertes wecken.
 
und aus dieser ebenso latenten angst heraus, es könnte doch etwas kippen, ergibt sich erneut ein frei-perkussiv-avantgardistischer teil, ich reibe das cello, daß es knarrt, brabble zu den jetzt höheren grundtönen der drei, greife zu meinen mikro-intervall-pfeifen, blase hinein, singe:
<we eat a lot, i eat a lot...>, dann nur noch pfeifen und hauche, stöhnen, es klingt fast wie im fitness-studio. pause. au, aus, aua, oh,oh,oh: sehr reduzierter sprechgesang. das trio schweigt. experimentelle stille.

neubeginn mit präparierter gitarre und kalimba, beides passt gut zusammen. auch das tamburin, das noch hinzukommt und der waldteufel. die ententröte, die dann ganz allein im raum zu sein scheint und dann zusammengeschweisst wird mit einem in sie hineingesungen, rhythmischen lied. die drei sänger werden lauter, der gesang mündet mal wieder in eine besänftigende gitarre. 

die gitarre besänftigt in diesem konzert immer. lässt ruhe einkehren, lässt entstandenen druck ab, feiert eine art kerzenlicht-folklore und erweckt den oberton-chor aufs neue.
 
da komme ich wieder mit einem gesprochenen inhalt dazu: <i lived this for a while>...nur was, nur worauf bezieht sich dieses fragment? auf die folklore, auf das oberton-singen? ich wünsche gar nicht, diese fragen beantworten zu können.
 
<sodele, sagt dr schwob, jetzedle, semmer ferdig>

die zugabe gibt sich avantgardistisch-experimentel: <here we go>
und ein flipper-geräusch kommen aus einem kleinen effekte-gadget,
ich imitiere <here we go>, dann der einzig wirklich laute vokale ausbruch von mir in diesem konzert, danach erinnert sich das trio daran, dass es ein oberton-ensemble ist.












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#171 mit michael denhoff, campanula in der aula der musikschule brühl

ein stattlicher bau, in dem die kunst-und musikschule brühl residiert. 
da vermutet man auch eine stattliche aula. sie liegt, merkwürdig genug, im dachgeschoss und ist einerseits rechts über ein kleines treppenhaus erreichbar und links mit einem 8-personen-aufzug, der innen durch schüler der kunstschule mit einer sitzenden schönheit im badeanzug, in naiver manier, gestaltet ist. 
 
als ich oben ankomme, ist in der aula gerade der bigband-unterricht zuende und ein netter älterer herr hilft mir, die fenster aufzureissen.
die aula ist ganz einfach ein grosser, hoher raum mit einer dachschräge. stattlich ist sie nicht.

michael denhoff begrüsst mich freundlich, aber in eile auf dem flur. als ich nochmals zum auto gehe, den rest meiner instrumente zu holen, treffe ich ihn unvermutet bei einer zigarettenpause vor dem seiteneingang. wir nicken uns zu. 

die campanula ist ein cello, über dessen corpus noch zusätzlich saiten gespannt sind. dieses cello spricht man campânula aus und nicht campanûla, was an campanile erinnern würde. die campanula klingt wie ein cello, das an ein hall-effekt-gerät angeschlossen ist. man kann diese vielen zusätzlichen saiten aber auch anzupfen. das hört sich dann an wie eine harfe (www.denhoff.de/campanula.htm)
der erfinder dieses instrumentes heisst helmut bleffert und hat sich als campanula-bauer schon einen namen gemacht.

wenn man im internet googelt stösst man aber zunächst auf zimmer-glockenglumen. 

michael denhoff stellt den flügel aus. er sagt  <wenn du schon mehrere instrumente spielst, dann ich auch> . als wir mit dem aufbau fertig sind, hat sich der raum schon mit etwa 20 leuten gefüllt. 

fünf nach neun starten wir dann das marathon-konzert #171 

in einer kleinen einführung weist michael denhoff darauf hin, dass er sich vor allem auf mein projekt eingelassen hat, weil er selbst ein faible für jahresprojekte habe. er hat ein klangtagebuch geschrieben und eine komposition, an der er jeden tag schrieb. 

zum einstieg benütze ich als erstes das klavier, ich habe heute lust auf ein bisschen theater, damit es ein leichter abend wird und er wird angenehm leicht, mit viel imitation, parallelität und heftigen, leicht verstörenden ausfällen.

michael denhoff ist ein fabelhafter cellist und spielt sehr integrativ. 
meistens gebe ich zwar vielleicht eher die ideen vor, aber das ist keineswegs störend.
denhoff hat eine souveräne technik und ein gutes ohr. sein spiel inspiriert mich sehr. es entstehen sehr schöne klangteppiche, da wir häufig ähnliches auf dem cello machen. jeder nimmt vom anderen material auf.  auch als ich mit der stimme arbeite, reagiert denhoff trefflich und mit einer sicheren intonation auf meine klangwelt .

eine pizzikato-pause. die entwickelt sich zur nächsten musikalischen idee...

dann hört man den teppich der campanula-saiten. das hätte ruhig länger dauern können. sehr schön...



ich sitze da und bin so verblüfft über unser konzert, dass ich nicht mehr schreibe.  ich werde die #171 noch viele male und gerne anhören.

ein perkussiver, leiser teil.  die stimme will etwas rhythmisches. revoltiert gegen die versunkenheit.

gleich darauf dennoch etwas meditatives, die campanula, die meine verträumte stimme unterstützt. immer wieder unterbrechung bzw. intermezzi durch perkussives klopfen aufs cello. 

anklänge an gregorianisch-meditative gesänge. kindlich-verträumte melodie-fragmente. angeführt von michael denhoff, der meine stimmfärbung mit seiner melodieführung auf der campanula wunderbar spiegelt.

gestrichenes duo in hohen lagen. melodiös. dann gebrochen.
ich presche häufig einfach los. freude am spiel, aber es grenzt auch an ungehalten sein... völlig grundlos. der musikalische vortrag ist mehr als befriedigend. 

erneut geht die stimme auf verträumte reise...bruch:

<so, jetzt muss ich dem piano doch erst mal nen kuss geben, dass es nicht ganz beleidigt ist> 

ich stürme zum klavier und dresche schmatzend drauf ein. nur ein schmatz, ein kuss, dann sofort zurück zum cello. 

als ich zu meinem alten tamburin wechsle und mich darauf auszutoben beginne, geht michael zum klavier und erfasst sofort wieder die musikalische situation, greift just an der stelle ein, als ich mit der stimme einige fetzen einstreue...

irgendwann singe ich, wie schon öfter: no way...dann spreche ich mit einer geste des über den zaun springens: <immer wieder: ich küsse das piano, ich grüsse das klavier>. anschliessend meditativer, rhythmischer, leiser gesang: man hört aber auch ein textfragment:  <loveparade>

nach einem weiteren, immer wieder in abständen wiederkehrenden perkussiven intermezzo ein wunderschöner teil mit chromatischen abwärts-akkorden vom klavier und sich selbst erstickende rufe in die mundharmonika. 

frühes ende nach etwa 32 minuten musik. 

zugabe: nochmal beide am cello. wir gehen von der situation des umstimmens aus. die zugabe ist und bleibt lange an dieser sehr gleichmässig klopfend-tropfenden struktur hängen.
  
unerwartet ein sehr lyrisch-harmonischer schluss.

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#170 in der alten kirche bonn-kessenich mit sue schlotte, cello und stimme

ich bin zu lange im auto gesessen, 1350 km seit gestern: aachen-esslingen-münchen-esslingen-bonn. und hole zunächst am hbf bonn nikola lutz ab, die heute ihre 11.folge des schlaglichter-interviews nach dem konzert machen wird.

sue schlotte hat den abend in der alten kirche gut angekündigt, es sind etwa 20 zuhörer da.  zeit ist jetzt nur für das notwendigste. ich lasse es mir aber nicht nehmen, noch 4 grosse weisse kerzen anzuzünden, bevor wir gegen 19uhr40 beginnen. die meditative stimmung von gestern schein ihre spuren hinterlassen zu haben.

heftiger und klarer, energetischer einstieg von beiden. wir passen uns sehr gut aneinander an. könnte behaupten, dass wir schon sehr viel miteinander musiziert haben.

hier gibt es keine momente des suchens. alles klingt sehr gesetzt,  geplant. 

und nochmals denke ich: das konzert von gestern färbt auf das heutige ab. ich brauche genau diese lange ruhige strecke gegen ende des konzertes, die sue zu gegebener zeit einfädelt. 

genau das richtige, dass sie jetzt ihren rundbogen nimmt und sehr leise, obertonreiche töne produziert, zu denen ich nur ganz leise auf dem tamburin trommle, manchmal pfeife.

dann wird es, aus der ruhe und dem pfeifen auftauchend nochmals etwas heftiger, mit munharmonika, sue pizzikato und mit stimme, ihr cello mit einem hölzernern schaschlikspiess präpariert.

viel beifall. 

und so wird auch unsere zugabe was.

für mich wird es auf jeden fall eines der unvergesslichen konzerte  auf meiner tour bleiben. schön rund.

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#169 mit christoph nicolaus, klang im turm, in münchen, claude-lorrain-strasse

jetzt war das mal wirklich eine weite, weite fahrt von aachen nach münchen. um dafür dieses ruhige, wunderschön-meditative konzert mit christoph spielen zu können: für eine einzige zuhörerin. die hatte dann noch die aufgabe, ein paar fotos von uns zu machen, lag aber dann  später einfach am boden und hörte uns mit geschlossenen augen zu. 

ich konnte mehr entfalten bei diesem zweiten steinklang- konzert, bei dem christoph 3 steinharfen bediente und die raumakustik mehr aus diesen wundervollen klängen machte als beim konzert#102 in der kunstherberge birkenau, bei dem ja noch 3 rothenländer hühner mitwirkten, wo der boden laubbedeckt und die akustik sehr trocken war.

nein, das ist keine solo-musik, es ist austausch, bei dem ich allerdings so etwas wie die oberhand habe. ich schwimme und singe und spiele in diesen magischen und sich reibenden klängen, aus denen man in jeder sekunde etwas ganz anderes heraushören kann. 

selbst wenn wir immer weit weg vom klischee einer meditationsmusik sind, war es natürlich meditationsmusik. aber eben eine, in der man nicht völlig versinkt, sondern in die man hörend versinkt.

das telefon, das irgendwann läutet, läutet genau im richtigen moment.
 
danach spiele ich ziemlich heftig und unabhängig von den steinklängen und brauche eine ganze weile, bis ich wieder auf eine vielleicht angemessenere langsamkeit und leisheit zurückkomme.

dennoch passiert in keinem moment etwas aufsässiges.

wir sind beide so in dieser musik, dass wir erst abbrechen, als eine zweite zuhörerin hereinkommt.  eine stunde und fünf minuten sind vergangen.

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