20110130

konzert musikmarathon#29 mit werner englert und anil eraslan

in stilvollem ambiente konnten wir hier in der gärtnerei dürrschnabel vor vollem haus spielen. sag'mir einer steinmauern (bei rastatt) sei kulturelle provinz! mindestens 50 interessierte, und nicht nur blumenfreunde, fanden sich ein. und mein ad hoc trio war (mal wieder) ein glückstreffer. nein, ich konnte einfach auf werner englert (saxophon, flöten...) vertrauen, der als dritten im bunde den jungen türkischen cellisten anil eraslan aus strasbourg mitbrachte. 20uhr40 bis 21uhr20 lief marathon-konzert #29. 
(die numerologin sagte 2 plus 9 = 11, konzert 2011, elf ist die zahl des meisters usw.
am 11.11.11 sind die meisterinnen der numerologie in der wüste, um die vielen einsen zu geniessen und ihre meisterschaft)

eine wundervolle melange aus neuer musik, unbedarft-verträumten verirrungen und den jazzigen miniaturen werner englerts, und manches mal hörte sich das wie eine ordinär-jämmerliche jam-session an. aber welches trio hat so einen jam- sound schon mal so transzendiert, indem es diesen jam-sound ad hoc zitiert? ja, zitate, intarsien gibt es an diesem abend zuhauf. anil liess auch keinen zweifel daran, dass er ein türkischer musiker ist und zeigte das mit zwei mitreissenden cello-soli.
 
bisweilen langte anil heftiger zu und das publikum hatte wohl angst, dass er seinem cello zu arg zusetzt...(ich nahm das mit meinen meist geschlossenen augen gar nicht wahr)

in einem ruhigen intermezzo führte werner englert mit der obertonflöte die improvisation. durch unsere flankierenden celli wurde daraus eine heftige musikmarmelade, die sich dann in ein verträumtes fragezeichen ergoss.

die antwort war eine atonale arie, rhythmisch gefestigt
durch darbuka und gezupftes cello. 
zweiter satz: kurzes dacapo, das dann in einer ausgedehnten geräuschwelt mündet, durchsetzt von tierlauten. irgendwo singt ein besoffener derwisch vor sich hin.

was dann kommt, hätte tom waits wohl kaum besser hinbekommen, aber auch hier genügt ein zwei-minütiges zitat, und schon sind wir in einen jetzt anderen, mehr perkussiven dschungel eingetaucht, der vom publikum her weht.

dann, zum ende hin wird es sehr ruhig, getragen und besinnlich, und so klingt das konzert in die stille hinein aus.

die zugabe zeigt nochmals das ganze atonale können unseres trios. englert knüpft an die ruhe des ausklangs an, aber die zugabe bleibt in einem gefühlten 12-ton-genre einheitlich.
 
wie die von den celli imitierten martinshörner der letzten takte wohl entstehen? ist irgendwo draussen der notarzt vorbeigefahren?

allen ist damit jedenfalls eindeutig eingeflüstert: das ist das ende des konzertes mm#29





musikmarathon #28 bei kettensägen-pochaska

mon dieu, gibt es noch gastfreundliche leute. 

da komm' ich gestern abend zu diesem wildfremden mann mit der kettensäge aus grötzingen um halb zwölf. der hätte mich ja...
 
guntram pochaska's kunst, seine performances und vor allem sein generöser einsatz für den musikmarathon: er schreibt in seiner mail gestern: klar, übernachte doch bei uns schon vor dem konzert, ich warte mit wein, weib und gesang.

von wegen wein: edelster rioha; von wegen weib: seine frau mit dem wohlklingenden estnischen namen; von wegen gesang: im hintergrund die halbe nacht angenehmste klassische mischung.
  
pochaskas haus ist wie ein bunter hund und also wie er und du kannst alle drei nicht vergessen.

am morgen kümmert er sich um die details fürs konzert am abend, die suppe. er ruft noch freunde an, zeigt mir fotos und filme von seinen zahlreichen skulpturen und aktionen aus florida und deutschland. beeindruckend. zu einem naturschutz-event trägt er boa-haut-stiefel. irgend jemand merkt es...  

beim konzert im  magisch beleuchteten skulpturengarten musizieren dann mit mir: hanna jüngling, geige; ute reisner, saxophon; derek hauffen, e-piano und sound-design...und guntram pochaska, der mit lesung, kettensäge und flammenwerfer überrascht.
 
obwohl wir alle nicht genau einschätzen können, wie ausgewogen text und musik zusammenkommen und obwohl es eigentlich viel zu kalt ist, um musik zu machen, sind nach dem konzert  auch die tapferen gäste in ihren wintermänteln zufrieden, die sich mit glühwein (köstlich, weil nicht süss) und durch unsere kuriose musik-text-performance bei laune halten.

um neun ist marathon-begenung #28 nach einer 
heftigen, text-und säge-losen zugabe professionell-pünktlich vorbei und ich schnappe den <klingelbeutel>, einen schön dekorierten pappkarton, in dem noch viel zu wenig drin ist.
 
dann aber doch. und es klingelt gar nicht. 
aha, nur scheine, und nicht nur kleine.







musikmarathon 2011: resumé nach tag #28

ich fühle mich voll und leer zugleich. so muss sich wohl ein improvisator fühlen.

der geregelte tagesablauf mit den allabendlichen konzerten, dem täglichen blog-eintrag, all das tut gut und trägt gibt mir und dem projekt stabilität. vor allem aber die vielen wunderbaren menschen überall.

es ist ganz selten, dass mir irgendwo tristesse, gleichgültigkeit oder gar feindseligkeit entgegenschlägt.

vermutlich können sich nur offene, risikofreudige,
kulturoptimistische, grosszügige menschen mit dem marathon-projekt identifizieren und das könnte der eigentliche grund sein, dass ich fast durchweg so schöne erfahrungen auf meiner reise mache.

mein dilemma ist, wenn man so will, dass ich gar nicht weiss, wie ich adäquat dafür danken kann.

ich hoffe allerdings sehr, dass zumindest eine angemessene dokumentation des projektes gemacht werden kann, in der alle diese wunderbaren menschen vorkommen:
die sensiblen musiker, die mit grosser konzentration und offenen ohren vorurteilslos mit mir musizieren,die engagierten und unbürokratischen veranstalter, sponsoren und web-spezialisten, die mutmachenden helfer und netzwerker im hintergrund, die hochmotivierte grafik-designerin, die derzeit auch noch den marathon-rock kreiert und produziert, die journalisten, photografen, filmer, interviewer und anderen medienmenschen, die den musikmarathon so intensiv begeleiten und natürlich vor allem die freunde und viele familienmitgleder, ohne deren unterstützung das marathonprojekt schon in der vorbereitungsphase abgestürzt wäre.