20110513

#132 mit henning olschowski, gitarre, violine, perkussion und jonas nicolaus, orgel

klatschen vor dem konzert nach der einführungsrede. so ein freundlich-aufmerksames publikum gibts nur in mutzschen.

gesang und spanisch angehauchte gitarre.
die orgel ganz ganz tief und kaum wahrnehmbar.

als ich das konzert in der nacht noch anhöre, finde ich unsere musik erfrischend und beruhigend zugleich. der effekt, der daraus resultiert, dass ich mich an die vorgaben von henning olschowski zunächst mal eher anhänge, um übersichtlichkeit zu bewahren, tut gut.

wie gestern habe ich das bedürfnis nach einem schönen konzert.

es gibt also zunächst keine brüche, gelegentlich ein sanftes umbiegen der musik, mal in seine, mal in meine richtung. jonas kittet mit seinen zurückhaltenden orgelteppichen beides unaufdringlich zusammen.

er erinnert (das liegt sicher auch am instrument orgel an sich) auch gelegentlich daran, dass wir uns in einer kirche befinden.

nach einer viertelstunde, henning hat inzwischen zur perkussion gewechselt, ist das konzert doch sehr heftig und experimentell geworden. im zentrum steht jetzt ein zentralton, der mal von mir und mal von jonas eine exegese erfährt.

henning hält eine rhythmische struktur aufrecht. ich greife sie mit dem cello, ebenfalls rhythmisch, auf. die orgel zieht das geschehen wieder in die ruhe.
wenn ich ein duo mit jonas nicolaus gespielt hätte wäre es meditativer und dunkler zur sache gegangen.

zu dritt hält sich eine erstaunliche ausgewogenheit aus tänzerischer lebenslust und leiden. fast religiös verbrämtem leiden.

aber auch der pure geist ist präsent, der frei und ungeformt sich ausbreitende geist in luftkrausen wirbeln.

ich antworte einer verträumten geigenmelodie, die zu einer mama-rufenden kinderstimme über orgelschwaden einen musikalisch definierten horizont bildet.

nach einer verschnaufpause, glücklicherweise ohne zwiwchenapplaus, setzt sich das konzert mit einem pizzikato, zarter orgel und perkussion aus der ferne fort.

perkussion, die an reparaturarbeiten an der hölzernen innenausstattung der kirche erinnert. darüber entfaltet sich ein lied, das durch einzelne akkorde auf der bluesharp unterbrochen wird. diese einwürfe der mundharmonika stellen das bindeglied zwischen den klopfgeräuschen von hennig und diesem sehr langsamen, meditativen lied dar.

dann orgel, kalimba und musikalisches gebrabbel.
die orgel geht jetzt eigene wege. die reparaturarbeiten sind noch nicht abgeschlossen.

dann singe ich plötzlich belustigt über einer gurgelnden orgel, die geige hennings nimmt ihr verträumtes <so vor sich hin> wieder auf.

zwischenspiel der orgel. jonas will ein zeichen setzen. stagnation. unsicherheit. ein langsames cello-solo. die orgel fällt ein und gibt neues tempo.

henning ist zurück an der gitarre. ein sehr gleichwertiges trio entsteht.

sehr interessante geschichte, das. bizzarr, aber bemerkenswert.

meditativer ausklang derselben. es geht dem ende des konzertes entgegen. wir suchen nach einem schluss und finden ihn. noch nicht. nachbeben. orgelton am silbernen faden...

zugabe: aus dem trio zuvor scheinen wir etwas gelernt zu haben: die mischung aus uns dreien wird freier, extremer. ziemlich freche überlagerungen.
vor allem die orgel schert wohltuend aus.

und jonas nicolaus (*1991) an der orgel definiert dann auch den schluss der zugabe.

#131 in schmorkau bei oschatz mit wolfgang thibault, schlagzeug und jörg petermann, kontrabass

vom künstlergut prösitz nach schmorkau bei oschatz zu gabriele und wolfgang thibault, wo wir auf der überdachten bühne im garten spielen werden. umstanden von lindenbäumen.

die thibaults produzieren kunst-keramik und haben in ihrem kleinen hof einen laden. neuerdings führt der offizielle radweg dresden-leipzig am haus vorbei. davon erhoffen sie sich mehr kundschaft.

wolfgang thibault brennt vor allem aufträge der art <kunst im öffentlichen raum>. für oschatz hat er keramische tafeln 25x25 mit stadtplan-relief gebrannt, die nun dort an sehenswerten orten im pflaster eingelassen sind.

bevor wir aufbauen, sitzen wir bei sülze und kartoffeln im hof. wolfgang erzählt von einer sehr alten linde, die gleich hier neben uns stand, bei einem sturm abknickte und um ein haar das neu gedeckte haus zerstört hätte. die freiwillige feuerwehr war auf der stelle da und wandte den immernoch drohenden schaden ab. die naturschützer verflucht er. <deren schuld> sagt er,
ich wollte den baum schon lange fällen, da ich ahnte, dass...>

in letzter minute gesellt sich noch der kontrabassist jörg petermann zu uns. er ist sich nicht sicher, ob er improvisieren will. stürzt sich dann aber mit uns ins wagnis.

auch hier in schmorkau bestätigt sich die faustregel, dass bei privat und auf dem lande mehr publikum aufzutreiben ist als in clubs oder an viele anderern offiziellen orten in den städten. und dazu ein sehr aufgeschlossenes, offenes. natürlich liegt das hier auch an der <institution thibault>. gabriele und wolfgang leben und arbeiten hier schon seit über 30 jahren, sind kulturell aktiv und haben ebensolche freunde und bekannte.

gabriele und eine freundin öffnen einen <strassenverkauf>. durch ein schiebefenster werden bier, wein und fettbemmen (schmalzbrote) gereicht.

eine nachtigall eröffnet unser konzert. in der ferne hört man einen zug auf der strecke leipzig-dresden.

das ganze konzert über dominiert ein swingender groove. ich scheine immer wieder unaufdringlich zur tagesordnung zurückbeordert zu werden.

solche konzerte, bei denen zwar jeder zuhört und dennoch jeder sein musikalisches terrain verteidigt, können wunderbar gelingen. es sind wohl die, die meiner vision von improvisierter musik inzwischen am nächsten kommen.

nicht, dass sich musikalisch bahnbrechendes ereignete, der reiz liegt in der wohlwollend aber hartnäckigen reibung verschiedener musikwelten, die schliesslich wärme erzeugt.

respektierliche toleranz, die durch hören etwas angenehmes, gemeinsames, drittes schafft, auch wenn darin feuer und wasser oder erde und luft erkennbar bleiben. hier könnte es wasser und erde gewesen sein.

für mich ist swingender jazz das wasser, meine musik ordne ich am meisten der erde und ein wenig der luft zu. und natürlich ist in jeder guten musik von allen elementen etwas. ohne ein bisschen feuer z.b. hört sich wohl keine musik auf dauer gut an. selbst meditationsmusik nicht. selbst die interpretation eines steve reich, helmut lachenmann oder morton feldmann wohl kaum.