20110322

#80 mit elmar guantes, kontrabass im sendlinger torplatz, münchen

mit elmar guantes stosse ich an meine grenzen. dieser musiker ist aussergewöhnlich und eigentlich wie geschaffen für solo-konzerte. das merke ich während dieses überaus komplexen konzertes, das gleich zu beginn eine riesige dynamik entfaltet.  

neuland ist eine noch nicht geöffnete kultur-bar am sendlingertorplatz in münchen, zugang pettenkoferstrasse, da, wo früher feinkost kohler war. 

feinkost ist auch dieses konzert, quasi zur vor-einweihung der neuen kultur-bar von neuland-chef uli
gansloser...für ein kleines, feines und aufmerksames publikum. 

gleich zu beginn bricht mir leider der stachel weg, ich integriere das geräusch aber, so gut es eben geht.
nach der freudigen intro mit guantes, fühle ich mich bald mit der stimme sicherer als mit dem cello, obwohl ich auch mit der stimme immer diesem gigantischen inspirationsquell elmar guantes hinterherzuhinken scheine. 
er trimmt das konzert, nach dem sehr offenen, dynamischen anfang sukkzesive auf eine soghafte, rhythmische spielweise ein, auch von der lautstärke her: da ich aber solch eine freude am spiel mit elmar habe, lasse ich mich davon beeindrucken und mitreissen. ich gebe einfach, was ich zu geben habe.  ausserdem <helfen> mir die projektionen von fotos michael baumgartners (aus konzert #60, augsburg)  an die hohen wände des <neuland>, diese übermacht einzudämmen...(was ein sehr merkwürdiger gedanke ist, den ich aber...leider...während des spiels hatte)  
rhythmus. groove. keine ahnung, wie diese lautstärke empfundn wird, keine ahnung, ob bemerkt wird, dass ich mit der stimme und auch auf dem cello am rande meiner möglichkeiten rangiere...

dann greife ich zum besen, ziehe mich auf rhythmisches gegengewicht zurück...ich nehme die patterns als steve-reich-ähnlich wahr...dann, vielleicht zu abrupt, wird elmars vorgabe durch einen sehr freien teil abelöst, der so ganz anders ist, gar nicht zum vorigen in bezug steht, am ehesten noch zum einstieg passt...

isoliert betrachtet wirkt dieser zweite teil auch sehr echt, sehr eigenständig, fast clownesk: das ist wohl auf meinen stimmausdruck zurückzuführen und, wie immer, musik im engeren sinne abträglich: aber mit dem vollblut-musiker guantes zusammen verliere ich die hemmungen, diese grenzen auch weit zu überschreiten, ohne mich gleich in einem theaterstück zu wähnen. 

dann ist platz für ein kurzes cello-solo, sehr gegensätzlich zu guantes spiel, der vor virtuosität und komplexität nur so sprüht, der aber auch so vollkommen auf meinen <stil> eingehen kann, dass es  eine freude ist.  umgekehrt gelingt mir das vermutlich nicht im selben maße, sei's drum. 

(obwohl sich bei mir hier eindeutig kathegorien der bewertung aufstauen: das bringt überhaupt nichts und tut wohl auch der qualität dieses aussergewöhnlich dichten konzertes keinen abbruch.)

einzige kritik, und die ist lapidar: dieses konzert #80 ist etwa 25% kürzer als ein <ordentliches> marathon-konzert. dafür mit 25% mehr energie ausgestattet als die übrigen 79 konzerte davor. 

 



mm#79 mit michael raithelhuber, orgel, in allmersbach im tal

luftiges cello-schrabbeln. sofort viele ebenso luftige töne von der orgel. die leiten mich alsbald in eine rezitative litanei hinein. das cello steht etwas zu nahe an den mikrophonen und klingt für eine litanei zu schief und zu roh. die orgel bricht, begleitet ansatzwise, dann stehen plötzlich wieder ganz neue, musikfragmente im raum: das cello will reagieren, reagiert, aber das kaleidoskop der ideen huscht zu schnell vorbei. ich erinnere mich an den beginn der improvisation und schrabble wieder auf dem cello. getragen von einer leisen tonflut.

immer wieder neuanfänge. versuche der berührung. diese berührung ist unüberhörbar, aber viel eher stossen sich hier zwei selbstbewusste musiker die hörner ab.  mit kirchenmusikhaftem gesang versuche ich, frieden zu stiften, doch ist die verantwortung, das konzert nicht abstürzen zu lassen, von beiden seiten zu gross und es schwebt zu viel virtuosität im raum, zu viele ideenfetzen, als dass sich da in ruhe etwas entwickeln könnte. 

man kann es aber auch positiv sehen. 

über die dauer ist das konzert in seiner uneinheitlichkeit, in seiner gleichzeitigkeit von völlig unterschiedlichem sehr konsequent. dass sich, immer völlig  unerwartet, doch etwas überschneidet, ja ergänzt, sich sogar die hand reicht: man hält es kaum für möglich.

wir lernen beide nichts daraus: wir akzeptieren diesen <stil> des konzertes bis zuletzt. jeder hört den anderen und doch treibt vor allem unsere musikalische eigenständigkeit und das daraus entstehende <reiben> das konzert vorwärts. 

als ich nicht davon ablasse, eine melodie zu etablieren, gibt es doch einmal eine ausnahme: <das ist jetzt ein lied>. von dauer ist diese übereinkunft nicht.

das solo von michael raitelhuber ist eine kettung von geistesblitzen. 
schon nach kurzer zeit beginne ich jedoch, mit darbuka und stimme, rhythmisch nebenher zu marschieren: wie ein kamel durch die wüste. beharrlich und betont ruhig und nur in den lautstärken auf die orgel reagierend. und siehe da: es ergeben sich wunderbare passagen. raithelhubers sehr virtuoses und verziertes spiel fügt sich in den marschierenden rhythmus ein. 

man muss einige geduld mitbringen, um dieses konzert gouttieren zu können.  auf grund unserer beharrlichkeit hat diese begegnung eine unverwechselbare, durchgehende charakteristik, die man vielleicht so in worte fassen kann: 

<nein, wir verraten unsere musikalische überzeugung nicht. wir versuchen lieber immer wieder aufs neue, den anderen von unserer überzeugung zu überzeugen...>