20110625

#175 solo/und dann mit chris grenz an cachon und rahmentrommel, nummer 2 unterm waldsegel

ein minimalistisches gewusel auf einem völlig und absichtlich ungestimmten cello, um mich einmal noch weiter wegdrücken zu lassen von der sich immer wieder einstellenden harmonie. das cello klingt, als ob es überall wölfe hätte, völlig verwolft. rau und rauchig. räuspernd. und ich lasse es zu. 

das soll ein kratz-würg-räusper-unsauber-brachial-solo sein,ja, ich stehe dazu,...und genau so wird es auch.  und für 28 minuten sollen das die zuhörer jetzt einfach mal ertragen. keine zugeständnisse.  ich setze alles auf die karte der <unbeschwerten brachialität>. 

es dauert nur ganze 6 minuten, bis dann doch eine beschwichtigende stimme dazukommt, die glücklicherweise heute ebenfalls wolfig-rauh und ungehobelt klingt.  
passt doch  mal wieder alles zusammen? dieses konzert treibt ausserhalb jeder gekannten musikalität dahin, ist jedoch unverkennbar graeter-musik: schleppend langsam, immer wieder so weit in die sprache rutschend, dass man, wie man es zunächst vielleicht versucht, überhaupt nichts meditatives finden kann .
dafür ist alles viel zu anstrengend. das kräftig überzogene raubauzige solo im solo, das dann zu hören ist, erst recht. 

immer sich reckend, sich aufrichtend an einer doch noch möglicherweise auffindbaren ästhetik, im gegenzug dennoch immer spröder werdend, immer von noch grauerem grau erzählend.
 
ja, grau ist die farbe dieses solos, grau wie die wölfe, die im cello hausen oder sich auf die stimmbänder gelegt haben.  und doch gelingt es, wenigstens mir, jetzt hinterher, für eine weile, in eine meditation zu  tauchen. es ist gar nicht so einfach, etwas durchgehend sperriges zu <produzieren>.

ich spanne das nie enden wollende vor mir auf, selbst verantwortete fallstricke. irgend jemand wird mir bald sagen, warum es durchaus mal gut ist, in bildern zu denken, die so weit in meine psyche reichen. 

fazit: ziemlich anstrengende 28 minuten, manches durchaus so eigenwillig und einfühlsam, im mangel an musikalität versinkend ( oder mangel woran?), dass man <das gespielte> doch lieben, zumindest schätzen möchte. wer das allerdings sein könnte? wenige. und auch die wenigen werden sich über wesentliches uneinig sein.

nur ich allein bin mir sicher, dass es richtig ist, auch solche solo-konzerte zu spielen: auf wölfe kommt raus... 






roland graeter
+49 178 1364746
roland.graeter@gmx.net
musikmarathon.com
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http://www.pix-o-rama.de/2011/05/05/auszug-aus-dem-musik-marathon-2011/.
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#174 mit nikola lutz, erster abend des halbzeit-festivals im gollenholz, seracher strasse 219

eine trocken-intime atmosphäre unterm waldsegel, als zuhörer eine freundin von nikola, mein schwager, meine schwester, meine mutter, zwei nachbarn, der unermüdliche wolfgang, auch aus serach, der mensch, der bisher die allermeisten marathon-konzerte gehört hat.
wir haben schon bevor es losgeht, alle zusammen am lagerfeuer gesessen, ein paar oliven schnabuliert, ein gläschen weisswein...

vielleicht merkt man das wirklich, dass das schon das dritte  marathon-konzert mit nikola lutz ist.  eine gewisse vertrautheit. nikola spielt farbenreicher als ich es je von ihr gehört habe. sehr differenziert. ich bleibe der langsame, das urgestein, meine gesänge rekrutiern sich heute aus einem räuspern, das saxophon imitiert meta-oder mega-vögel, die in der folge zu röhrenden hirschen, elefanten und dann zu noch grösseren tiere, gar ungeheuern mutieren.

der vortrag ist dicht, fast ohne unterbrechungen. die erste kommt, als ich nicht mehr singen kann, als mir die puste ausgeht. ich singe, ich spreche, ich krächze, immer im singenden fluss. bevor eine pause entstehen könnte, wechsle ich nahtlos ans cello, auf der partitur steht wohl < so schräg als nur möglich>,< bleibe dennoch im atem>, <verlangsame alles unmerklich>.
nikola pendelt über allem mit grossen trillern, dann solistisch mit stakkatos,
ich unterlege mit repetitiven strukturen, mir fällt nichts mehr ein. ein echter grund für eine pause, denn toppen geht hier nicht. ich bin viel zu erschöpft für solche <musikalischen lösungen>. 

tierisch-brüllende laute vom saxophon. sehr eindrucksvoll. 

hoher gesang und leichtes cello, nikola gleicht sich an, wird  leiser. das tut dieser passage gut, führt in ein solo, zu dem nikola sparsam etwas perkussives macht. dann verschmelzen stimme und saxophon für einmal recht eng.  ein monotones gegurre, zungen-r-laute, klangmodifikationen mit der hand vor dem mund, jetzt hört man sogar die vögel im wald zwischen dem klappern der saxophon-klappen. ich erweitere mit flöte und stimme: es ist die stelle, an der ich laut nachbar bobby einen rhythmus, dem ich kurz verfalle, hätte weiterführen sollen. bobby, der noch nie improvisierte musik gehört hat, beschreibt im gespräch hinterher diese rhythmische passage als besonders herausragend.

eine neue stimmung: schmatzend und hauchend. das schönste aber ist wieder, dass man die vögel durchhört, die sich einen feuchten dreck um unsere musik scheren.  es ist der luftigste, leichteste, freieste, verträumteste teil des konzertes. die spannung bricht dennoch nicht ein und vor allem: das publikum bleibt ruhig.

knapp 30 minuten. das soll für heute genügen...

dafür gibt es das schlaglicht #12, das 14-tägige interview von nikola lutz: davon später, in der dokumentation über das marathon-jahr, die, sei es nun als film, sei es als buch, sei es als <the best out of marathon...>vielleicht irgendwann vorliegt. nein, in rosenheim ist der marathon bis jetzt leider nicht gewesen.











roland graeter
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#173 mit johanna goerner, gesang und bewegung/maria joao neno, tanz, konga, stimme in der ev. trinitatis-kirche bonn-endenich

ich verschwinde nach meiner vorrede ins nebenzimmer. das vorspiel kommt von dort vom klavier. dann trete ich  lachend und lautmalerisch schimpfend in den riesigen kubischen kirchenraum setze mich an die kleine seiten-orgel, knipse sie an, drücke einige tasten und so hört man den blasebalg losblasen, man hört das glissando nach oben, bis der arbeitsdruck hergestellt ist.

ich bin in spiel und gesang vertieft, johanna reisst mich heraus, singt dicht neben mir...kurz im duo, dann wandere ich in die nahe ecke, wo ein spinnweb-mob auf einer sehr langen bambus-stange steht:
<die nannten mich so, mob,mob,mob, die da oben, sagte der mob, hopp, die nennen mich so... doch jetzt nähere mich dem zentrum meiner musik, ...ich geh jetzt einfach mal ans cello, so wie jeden abend, guten abend!

und dann geht's sehr abgehackt zur sache: maria, die tänzerin, ganz nah, oder ist es johanna, die sich durch den raum bewegt? ich sollte in solchen zusammenhängen öfter die augen öffnen. aus dem off dringen opereske arien-fetzen. man hört mehr davon, als ich ein feines pizzikato mache. immer enger verweben sich die durch den raum gleitenden stimmen der beiden frauen.

ein gongschlag von maria joao bremst mich, verursacht eine schöne pause zur richtigen zeit. dann singen wir zu dritt bis zum nächsten gongschlag.

dieses singen ergibt einen sehr einheitlichen raumklang. 

dann bin ich zurück an der kleinen orgel und piepse kleinste töne in den kubus. versuche. ich ziehe und schiebe an den registern. abstraktes zwischenspiel. dann ein  verrückt-schreiender, kinderlied-naher song, der sich völlig in schrägen, abrupten orgelklängen verliert, von denen ein minimalistisches, leises motiv stehenbleibt, das ein unisono-geschrei der beiden frauen in der anderen ecke der kirche unterlegt.

ich setze mich wieder auf meinen cello-stuhl, johanna und joao sind ganz in der nähe, ich singe <okarina> oder <oh, karina>, sage <oh, das ist ja auch ein frauenname>, dann entwickelt sich das ganze in beiläufig-banalem tonfall zu <oh kalimba, oh entenpfeife>, die frauen singen ebenfalls oh karina und oh kalimba, >yeah<, warum nur >yeah<...dann sind sie weg, ich greife die bambusflöte, entferne mich singend und flötend in richtung maria joao, die da singend und trommelnd auf einer stufe sitzt, wir finden uns zu einer kurzen <session>zusammen, eine session mit treibendem puls, die dann endet, als ich sage: das war also nun der song <okarina> und: <zurück zum cello, zurück zum mob?>....ich mache mit dem cello etwas kindliches, tänzerisches, joao rennt durch die kirche.. dann halte ich inne und stelle fragen auf englisch: 

<<<i wanned ask you, what is this, what strange kind of <aus dem off: no colour>... playing around with the chairs and laying down almost naked on the flor....should be music, should be music...>>>

es folgt ein cello-solo, rau und rockig, eines, das geht ziemlich weit geht, weint, kräht, krächzt. es steht wie ein wassergetränkter, morscher holzstrunk im raum. dann verstumme ich ganz unvermittelt. höre.
die frauenstimmen übernehmen...für mich verschwimmt vorübergehend der vortrag, ich ziehe mich auf einen hohen vibrato-ton zurück, der johannas hohen operngesang unterstützt...

ein teil mit viel klopfen, rhythmus, gesang zu tamburin, darbuka und grosser rahmentrommel, die maria spielt. rhythmischer  gesang und mundharmonika schliessen sich an: johanna singt in der ferne.
eine sehr schöne, feine stelle. 

ich krabble am boden, robbe zu den beiden kauernden frauen in meiner nähe, es gibt ein amalgam aus musik und geräusch am boden, alle drei dicht beisammen. eine art indianergeheul in operesker form...

<einfach mal die seele baumeln lassen, ja, gell, knallhart mach-m'r das.
fertig, gut, gut!> wir starren alle drei auf den wecker...

das publikum grölt. die performance scheint wirklich gelungen.

in der nachrede kündige ich das 6-tägige halbzeit-festival in esslingen,
seracherstrasse 219 an, das dort, jeden abend mit den marathon-konzerten #274-279 zwischen 21uhr und 22 uhr, stattfinden wird.
halt ein bisschen weit weg von bonn-endenich, aber wer weiss?
  
 


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