20110220

mm#50 mit 4fitness-geräte-nutzern bei rath-neigenfind in esslingen

ein konzert mit 4 trainier-profis an und auf den vielen fitness-geräten um mich rum: grosse maschinen, hell-elfenbein-weiss lackiert, denen nur geräusche zu entlocken sind, wenn man sich mit ihnen auskennt.

eine herausforderung, das knacken der verstell-hebel, das quietschen und knarren der lager, das klopfen auf kunstleder-polster usw. in eine solo-musik einzubauen: solistisch komme ich mir vor, denn die geräusche, die da ans ohr dringen, bleiben ziemlich reduziert, leise und disparat.

zunächst greift diese atmosphäre nur das cello auf, auf dessen möglichkeiten ich mich für die erste zeit zurückziehe: mein sinn für lyrisches, kleine melodieversuche in einer welt kalter geräusche, klingen bruchstückhaft, schlängeln sich verloren durch diese kalte, wie zufällige geräusch welt.

jaulende annäherungen an diese geräusche: auch das hat seinen reiz, der aber durch den wunsch durchkreuzt wird, dass es hier bald mal nach anstrengung riecht, die dann auch hörbar ist: nichts dergleichen.

diesen querschiessenden gedanken artikuliere ich mit <wenn doch jemand mal hier ins schwitzen käme>. das wird durch lachen im publikum quittiert.

simon lässt sich auf einem massagestuhl durchkneten und stöhnt wohlig. begleitet von viel cello, dann kommt der moment, an dem ich zur stimme überwechsle und es entsteht ein sensibles, fernöstlich anmutendes duo zwischen mir und dem stöhnenden simon.

jemand schüttelt etwas textiles, ein neuer sound, und ein quietschen im hintergrund klingt wie rabenkrähen in der ferne. die sounds scheinen wärmer zu werden, verzahnen sich besser, werden dichter.

ich nehme die stimme so weit zurück, dass diese quietschenden, scharrenden, knarrenden klänge in den vordergrund rücken, bis sich für kurz sogar eine art rhythmus etabliert, was von einem der anwesenden kindern durch freudiges grunzen gouttiert wird.

simon wird mit einem stofffetzen von sung geschlagen, was eine schon latent anwesende sadistische soundatmosphäre verstärkt:
es geht aber nie zu weit in diese aussermusikalischen klangwelten hinein, wir kommen immer wieder schnell ins differenziert geräuschhafte und musikalische zurück.

dann heftigere ausbrüche des cellos, forte: auch das stöhnen wird lauter, die crew an den profi-trainier-geräten auch.

dann: cello pizzikato plus stimm-fetzen, ein sehr tiefer, ratternd gesungener ton, der vom cello verstärkt wird: übergang zu einer litanei, der man schwitzen, kneten, ein bisschen mehr...etc., alles auf schwäbisch, entnehmen kann, immer ausgeflippter wird es dann:
<isch des a ensemble fir neie musig>
bruch:
heftiges cello, knackend, schnell, abstrakt. fügt sich gut in den geräte-park-sound ein und klingt monoton-zitternd-maschinenhaft aus.

dann nochmals ein meditativ-abwesend gesungener text:
<wer was würden doch alle mehr schwitzen wir würden wollen doch mehr wollen werden wer
schwitzen...wir>

viel beifall für ein waghalsiges konzert.

zugabe: 4 minuten im dunkeln. ich bekomme eine kerze an den boden gestellt. sehr geräuschhaft, in ein bambusröhrchen blasend, das mal eine pfeife mit einem nachführbaren stempel war. gemischt mit sonorem stühlerücken und estremen vokal-sounds:
am ende blase ich mit dem sound, der irgendwo auch an eine fauchenden gasbrenner erinnert, die kerze aus.

mm#49 mit impro-chor dorle ferber, andreas lamay, stimme und ölfass und nick shepherd, electronics

da ist man schon baff, was so ein geordneter murmel-chor unter dorle ferber alles zustande bringt. der chor ist ihr instrument, das sie, 15-zungig und 30-ohrig in hufeisenform hinter andreas, peter (der nach einer anfänglichen lesung kaum mehr ins ohr dringt)und mir, aufstellt. 
aber damit ist dorle ferbers reichweite noch nicht zu ende. sie stöpselt sich auch bei nick ein. seine elektronik erweitert dorles stimme und er steuert  auch eigene sensible elektronische ideen bei. kongenial und sehr dezent bleibt nicks kunst  meistens im hintergrund. ein bisschen mehr aus seiner schatzkiste hätte dem abend nicht geschadet. nick sucht sich die richtigen momente, die günstigen nischen.  

ausser andreas lamay arbeiten alle nach dem prinzip: hurra, jetzt bin ich mal dran. das soll keineswegs negativ verstanden werden, denn es gibt durchaus durchmischungen, verstärkungen von ideen, weiterführung von wortmaterial, das, meist von dorle, in die runde geworfen wird. 

zum beispiel: unantastbar...wird zu madagaskar und ist vielleicht eine anspielung auf meine slogankarte <unleugbar> 

auch ich greife, schon zu anfang das wort <hand> auf und merke erst nach dem konzert, dass peter bei seiner kurzen rezitation auf eine gipshand in michl kussls klangwerkstatt, hoch oben auf einem metallregal, bezug genommen hatte: so hebe ich intuitiv die hand und denke: <egytian ring, it sparkles> vermutlich aus einer mischung aus aktuellen politischen revolten und meiner alten liebe für die rock-gruppe <the nice> .

einige zuhörer finden nach dem konzert, dass andreas lamay sein ölfass zu dauerhaft und laut behandelt habe. ich selbst kann diese meinung nicht teilen. ich finde, dass er durch seinen durchgehenden öl-sound dem konzert die nötige schmiere verliehen hat. ausserdem wollte er vielleicht intuitiv darauf hinweisen, dass die meisten libyer trotz  des ölreichtum des landes bettelarm sind und er ihre revolution, wie wir alle, ideell unterstützt.

jetzt aber nochmals ernsthaft und von vorn:

einführung zum gemurmel über schulflure, stöckelschuhe, sportplätze, ...und da kommt irgendwie die hand dazu rein, dann liegt dorle unterm tisch und ich muss husten und die erwachsenen murmeln und es ist erregung überall, ein grosser murmel-jahrmarkt, freundlich, auf der sommerwiese... auf der grünen wiese hab ich sie gefragt... werfe ich schräg-zart auf dem cello ein
und da: wieder die ominöse hand, die zu gar nichts passen will, aber, ich jammre der hand nach, tappse in diese ominöse hand-falle. 

der chor ist stark und lenkt die stimmung immer wieder in die rechte bahn und es ist nichts schnurz-egal (wie behauptet wird): 
es ist eine freudig-dadaistische mischung rund ums gemurmel, ein inspirierendes hörspiel, das jetzt in ein duo zwischen lamay und mir ausbüchst: ja, da ist die öltonne schon sehr präsent...und musikalisch wieder glücklich, dass der murmel-chor hier und da durchzuhören ist, die donnernde und gleichzeitig meditative stimmung lustig und wild durchbricht. mit dem cello versuche ich, die verbindung zum chor zu halten...

es gibt inseln der öltonnen-freien art. aber wenn sie mal fehlt, scheine ich den meditativ-archaischen part weiterzuführen. 

endlich dringt dorles hall-verzerrter engelsgesang an unsere ohren, was auch die öltonne einige dezibel mehr respekt abringt, ziemlich dauerhaft.
aber man kann auch sagen: die öltonne schweisst das ganze konzert zusammen. wie man will. ich kann es guten gewissens so wahrnehmen. 

was mich eigentlich daran stört, ist, dass ihr tiefer
urklang manchmal abrupt abbricht. nur das ist störend: denn dann fehlt etwas.

dann nochmals ein anderes element. ein fast unbeholfen klingendes pizzikato, das neben den pointillistischen chor-einwürfen einfach nebenher-läuft: ich orientiere mich an den wie zufällig wirkenden ölfass-tönen...
alles kulminiert dann in einer fast rein vokalen
kommunikation, von der dorle plötzlich und unvermittelt behauptet: <unantastbar> 
und dann wird darauf rumgeritten, bis alle sich über die assoziation madagaskar am meisten amüsieren können: weil sie wirklich irgendwo rausgerutscht ist.
<alibaababarjedervernunftmadagaskarkaramalzunfassbar>
unfassbar: schnitzel für zwoisiebzig :unanfassbar
usw....vielleicht haben wir alle hunger?

dorles engelsstimme lenkt das irdische schnitzelgespräch in höhere sphärische ebenen und nick fühlt, dass sich das mit einem techno-beat verbinden lässt, den er aber nur sehr zart andeutet: das gibt dem chor einen klaren puls vor, den ich auch mit der darbuka aufnehme:

da leg ich dann endlich mein obligatorisches lied drüber, das in irgendeiner form bisher bei fast jedem konzert aufgetaucht ist. leider verstummt der chor vorübergehend, doch das dröhnende ölfass begleitet unermüdlich. neue einwürfe vom chor, dann nur noch ölfass und darbuka: ausatmen, mmm...ende.

vollmond-bier-zugabe:

3.39...4.33...3.44 wär au net schlecht:
lamay und gong: ich suche nicht, ich... (versinkt im sprachlichen durcheinander). 
der vulkaan...ooh, aah...vollmond-bier und eine opern-diva, die mich erschreckt. stiftet das noch mehr durcheinander oder kommt alles einfach so wie es kommen muss? 
platz für ein klitzekleines, vom chor skandiertes cello-solo
oh no! ätna!!!, absteigende tonleiter weist auf das ende...
exakt! (exakt 3,65=3.39)