20110512

#130 mit der chefin des künstlergutes prösitz, zwei bildhauer-stipendiatinnen und deren drei kleinen kindern

nachmittags um drei komme ich im winzigen prösitz an, das zwischen der S 38 und der A 14 eingekeilt ist. die A 14 rauscht nur 200 m am halb verfallenen prösitz vorbei. ein grosser vorteil hier sind die günstigen immobilienpreise trotz perfekter anbindung an die A 14 ausfahrt mutzschen.

das künstlergut ist ein dreiseit-hof. im hof eine alte linde. gebrannte ton-, aber auch stein-skulpturen überall im hof und im vorgarten gegen die dorfstrasse.

eine nackte reiterin auf einem wolf, eine sitzende mit angezogenen beinen, ein mächtiger steinblock, aus dem sich mehrere figuren befreien wollen, ein überdimensionierter königlicher thron, geziert von schaf, krake und schlange.

am geleichfalls sehr grossen, dick-plattigen steintisch unter der linde gibt eine hausangestellte fast verdursteten topfpflanzen neue erde und wasser.

das eigentliche wahrzeichen des künstlergutes ist aber ein brennofen, der direkt an der dorfstrasse auf einem rasenstück rechts der nicht genutzten tor-einfahrt steht. überdacht von einem wellblech-provisorium.

eigentlich könnte das künstlergut trotz ständigem autobahn-rauschen ein idyllischer ort sein: es fehlen nur kleinigkeiten der pflege. eine bessere präsentation der skulpturen z.b. oder hier und da etwas mehr sorgfalt bei der renovierung der gebäude. sicherlich keine frage des budgets.

wir entscheiden, wegen des lärms, das konzert nicht im hof unter der linde, sondern im langen giebel-zimmer unterm dach zu machen. ute hartwig-schulz schleppt blumentopf-förmige gebilde, die aus tonwürsten gefertigt sind, nach oben, legt ton-bearbeitungs-geräte (wie walze oder schlinge) und steinwerkzeug (wie fäustel oder zahneisen) am boden aus. diese gesellen sich zu meinen ebenfalls am boden ausgebreiteten instrumenten (wie bambusflöte oder blues-harp).

die beiden stipendiatinnen bringen ihre kinder ada, lovil und yeke mit sowie spielzeug-schaufeln, trichter, bauklötze, tischtennis-bälle, luftballons.
insgesamt sind wir 7 musiker, davon 2 männlich.

presse ist da, ein fotograf, die beiden partner der konzerte von morgen und übermorgen.

es geht los: kinderbrabbeln, plastiksounds von weggeworfenen gegenständen und bällen, dazwischen etwas verloren die töne des cellos oder eine <stimmprobe>. ruckeln von tongefäßen.

<mama>, greinen, <hallo> . eine der frauen singt einen langgezogenen ton, ich steige dissonant etwas tiefer dazu und drittle die tonlänge.

als die kinder etwas heftiger und unbefangener mit den <musikinstrumenten> um sich werfen, akzentuiere ich das mit cello und stimme:

<laut> <mama, ich hab angst, wenns laut ist> <ganz laut>.

nein, sehr laut ist es nicht, aber fü die sehr sensibele yelke ungewöhnlich und vielleicht sogar bedrohlich. sie verzieht öfter mal das gesicht zur grimasse. ein klarer rhythmus oder ein liedhafter gesang beruhigen sie dann aber auch sehr schnell wieder. ute's hämmern im takt zum beispiel.

schlagzeug-solo von yeke auf einem umgestülpten plastik-eimer.

cellomelodie, über hämmern und greinen gelegt.
greinen und stimme gemischt.
rücken der tongefässe. plappern.

<hause-runter>, die kleine yeke will nicht bleiben, bleibt aber.

gezupftes cello über allerhand geräusch. verschiedene tempi überlagern sich, dann schleifende geräusche, die ich in einem melodie-versuch verarbeite. besser wäre es vielleicht gewesen, sich mehr an den geräuschen der kinder zu orientieren.

dann ein sehr beruhigender teil mit bambusflöte (ute), meinen drei mikrotonalen lockpfeifen und gesang. für einen guten moment wird alles zu musik, dann aber wieder gebrochen durch den wunsch <runter, runter> von yeke. lebendiges tohuwabohu.

ich versuche das weinen von yeke besänftigend zu übertönen. ein rhythmus mit der kalimba. endlich rhythmus und ton! wohltuend. die trockenen geräusche vom plastik fügen sich ganz gut ein. <hört auf, hört auf...>.

als sich immer mehr diese einfache, rhythmische musik etabliert, verstummen die kinder.

für kurz. dann geht es munter weiter: <ende, runter, mama runter> munter, munta, monta, montag, dienstag...ein kleines wortspiel. und nochmals eine verträumte melodie, aber das runter, runter hört nicht auf und so klatsche ich uns ins fühzeitige ende. bis alle klatschen.

wieder eine äussert einprägsame marathon-konzert-erfahrung.