20110412

#101 live in radio sthörfunk schw. hall mit hans kumpf und nicol zippel

nicol zippel ist wirklich gut auf seinem kleinen drumset. hans kumpf mit der klarinette sowieso.  

die ganze session im furztrockenen mini-studio wird sehr heiter und sprengt die grenzen der musik. drei männer, die es nicht stört, rumzububeln, obwohl jeder mithören kann. aber zunächst geht es dezidiert los mit musik. 

es klingt wie musik aus einer konservendose, so klein ist die akustik.
 
diese ungeheuerlichen akustik-unterschiede! das ist einer der starken eindrücke dieser musik-reise. gestern draussen auf einer dachterrasse, heute hier in der konservendose studio. 

und das erstaunliche: auch hier spukt <summertime> in den musikergehirnen herum. (siehe #100/2)

aber ich hab' dennoch keine lust auf diese schönen abgedroschenheiten, ja ich kämpfe heute vernehmbar gegen summertime. 

zugegeben: kampf ist nix für musik, aber was soll man tun?... kann man nix dagegen tun, das ist der jahahareszeiten-geist und der ist bekanntlich gegen alles immun.

und all das <on air>. oh jemineh. 

immerhin wird es dann und wann ruhig und experimentell, etwas, was sich für diesen raum einfach besser eignet als musik im engeren sinn. 

hans kumpf spielt radioschnipsel-rückkopplungen ein und ich höre plötzlich in meiner stimme die klangfärbung von <one day, madarling>, ein song, den ich auf der cd <chanterellen> verewigt habe. 

(hat das nicht vielleicht auch was mit dem thema <frühling minus summertime> zu tun?)
 
kurzum und nochmals: dieser raum eignet sich besser für klangexperimente als für musik und ich freue mich besonders, dass hans dieses <gerät> mitgebracht hat, mit dem er das konzert völlig zur sound-collage hätte umfunktionieren können. 

so sehe ich es im nachhinein. würde gerne hier und jetzt 100 prozent sound-collage gehört und nicht nur 30.
 
eine live-sendung ist eine live-sendung ist eine...und bringt es ungeschminkt und unwiderruflich an den tag.  so auch bei diesem konzert unsere ganz unterschiedlichen <bedürfnisse>. was natürlich eine kritik und vor allem auch eine selbstkritik ist.

ein zweites problem ist für mich hier und heute der unverkennbare <session-charakter>, der bisweilen herrscht. der hängt ja mit dem abwesenden  grund-geistes eines konzertes zusammen. 

ja, es gibt wundervolle passagen und es sind immer die, an denen es klappert, scheppert, rüttelt, schmatzt, raunzt, kratzt und raunzt, ja sogar rülpst.  

diese letzte musikalische äusserung ist jdeoch gesellschaftlich einfach zu verpönt, um noch künsterisch-musikalisch wahrgenommen werden zu können. 

das problem der grenze. hier ist es wieder. 

auf weiten strecken bilden hans und nicol ein duo.
ich habe wohl grade einfach nix beizutragen. 

gegen ende greife ich nochmal zum cello. tiefes jammern, dann gefasst von hans und zu einer melodielinie hin übernommen, sodass ich zu kratzen und schrabbeln übergehen kann und mir nicol dabei zur seite steht. 

mit der stimme entsteht jetzt etwas, das an vokale unterstützung erinnert, wenn man jemandem beim schaukeln zuschaut...und sofort ist der geist des hörstücks wieder zurück.

längeres perkussions-solo von nicol. hans steigt dann mit einem free-jazzigen part dazu, dann ist er nahe am mikrophon, es klingt grunzig und dann sagt er:  
<lux fiat>:  und ich murmle was von <schalter> und <an und aus>, und von  <strom>.

und nicol was von atomkraft und ich wieder was von schwäbisch und hall und davon, dass es ja auch ohne strom usw. 

hans spielt das lied von der schwäbischen eisenbahn und irgendwann ziehen wir die notbremse: 
wir sind bei 36,5 minuten in<meckenbeuren, dorlesbach>angekommen.

fast interessanter als die musik ist dann vielleicht doch das interview, das folgt. und es rückt das gehörte ad-hoc-konzert vielleicht noch ein wenig zurecht.

wer die ganze sendung durchgehalten hat: 
chapeau!!!  





 

#100/2 bei familie beier im vauban mit maggie horrer, stimme

konzert zwischen vogelgezwitscher auf der dachterrasse am nahen wald. 

mit maggie hatte ich ja schon die #38 in der praxis francisca clamer zu dritt mit jan f kurth gespielt... und noch in guter erinnerung.  

das konzert 100/2 -bei einem jubiläum darf man schon mal auch 2 konzerte an einem tag spielen- hat eine grosse behutsamkeit und wirkt leicht, weil draussen der ton wegfliegt und es dennoch klingt, als hätte man den wollmantel vors gesicht gezogen.

ist das der klang der geborgenheit, wie man dise bisweilen in der natur empfindet? eine gebrogenheit, die ganz leicht in verlorensein umkippen kann? (ja, herr pfarrer)

nun, an diesem musik-abend kippt nichts in verlorenheit um. wir bleiben, wohl auch dank margrets zarter, eher im konventionelleren angesiedelten gesangskunst, wunderschön auf dem boden einer eher leicht verständlichen musiksprache.

in den leisen passagen, da z.b. als margret nur haucht, mischen sich sofort die singvögel wieder in unser konzert.

dann kommen aber  doch experimentellere passagen.  ein durchgehender puls bleibt indes fühlbar. 

einem hund in der nähe scheint nicht so sehr zu gefallen, was wir da an sounds produzieren, er kläfft heftig und heftiger.
 
eine brise wind haucht ins mikrophon. räuspern.
eine sehr fragile, neu-tönende passage. der hund ist  verstummt. jetzt gefällt's ihm wohl.

dann ein schönes, rhythmisches, an indische gesangstechnik erinnerndes duo, das dann in einen schönen klamauk ausartet. 

vorzeitiges ende, aber wir starten nochmals durch. <noch 10 minuten> sagt jemand aus dem publikum.

mit <summertime> in die zweite runde... 
und mit einem durchgehenden darbuka-rhythmus, über dem sich mehrere stimm-duo-versuche ausbreiten.
 
dann noch ein besonderer, leiser, sensibler teil, bei dem ich die mundharmonika zu hilfe nehme. so klingt das konzert dann zum zweiten mal aus... ein perkussives anhängsel...>das musste jetzt auch noch sein<, sage ich. 

lachen, klatschen. heiterkeit im publikum.

bei der zugabe schreit sich maggie zu beginn frei.
das ergibt eine klare musikalische idee. 
langgezogene, eher schräge töne, auch vom cello. 
denn beim schrei bleibt es natürlich nicht. 

man könnte titeln: vom schrei zum meditativen >om<
denn mit einem tiefen ,schnarrenden ton geht die zugabe zuende.    



#100 mit janina rüger, akkordeon, in der galerie jutta fink in heitersheim, 11 uhr

dp dp dp dp, es beginnt beschwingt, rhythmisch, immer mit diesen verzögerungen in der stimme. janina greift die sofort und traumwandlerisch mit dem akkordeon auf. ritardandi auf dem cello. konnt gekontert von <akkordeon-fauchen>. dann wieder klingt es wie  ausklänge. schon jetzt? das sind nur leise inseln.  onomatopoetische, skurrile, leise inseln. erinnerungen an den anfang, an das dpdpdpdpdp...an schmetterlingsleichte frühlingstage. an diesen frühlingstag draussen. 

alles gelingt zunächst bei dieser matinée...und man fürchtet: bald ist die luft raus. oder sind es  vorbereitungen auf grössere musikalische gedanken?
nein,nein, wir haben es mit einfacher, freudiger improvisation zu tun, und weil graeter dabei ist, schimmern  immer mal wieder lieder durch. 
lieder, aus denen rufe ragen.
 
dann tonloses. klappern vom akkordeon und sehr tiefe, leise vibrato-töne.  

träumerei über einem beissenden sekunden-akkord. sphärische zurückhaltung. pause.
 
suchen. unverständliche wortfetzen, gemischt mit <goschenhobel-geschwängerten> singtönen. 

ruhige passagen. cello solo. wenig material. wiederholungen.  aufbäumendes zwischenspiel mit bedrohlichkeitsfaktor.  

es schüttelt einen.  ich kann die wirkungen nicht abschätzen, auch jetzt, im nachhinein nicht. mit dem frühling muss es ja auch mal vorbei sein.  

ich tauche aus der konzentration auf, als ich beginne, zu pfeifen und den atem rhythmisch werden zu lassen. für einen moment habe ich den draht für improvisationskunst völlig verloren.  janina rettet hinüber. ich komme wieder rein. vermutlich hat's niemand gemerkt. ich kann dieses rausrutschen ja auch nur als gefühl beschreiben und es nur hören, weil ich das gefühl bei dieser passage noch in mir habe. 

die kalimba bringt verdiente ruhe und erneute leichtigkeit in den vortrag. erneut ein lied. wie ähnlich sind diese lieder eigentlich? sehr ähnlich, denke ich kurz.  schamanischer gesang.  bekanntes terrain für mich. rettungsinseln. 

ich werde alle gesänge eines tags neben-und hintereinander  abhören. kann ich dann mehr erzählen? vermutlich. aber die analyse wird auch was kaputtmachen. seis drum. analyse ist gut. 

vielleicht hat jemand freude daran, zu tun, was ich ja doch nie tun werde.  

weiter gehts's mit urtümlichem, geräuschvollem. man ahnt einen text dahinter. 

aus gesang wird sprache. mehr und mehr.

ich glaub jetzt reichts, sag ich dann, ziemlich vor der zeit.  

hatte ich, ohne es zu wissen, keine lust auf dieses konzert?
wenn ja, dann kann es nur der schöne frühlingstag draussen gewesen sein, den ich eventuell vorgezogen hätte, zu geniessen. 

an janina liegt es definitiv nicht. 
 
draussen fährt ein mofa vorbei. ach ja, so was gibts noch?