20110505

#124 im friese-leerstand, ehemalige weberei-näherei

 das mm-konzert # 124 ist der einklang fürs nächste obphon-festival . diese musikperformance mit birgit schuh an der nähmaschine und walburga walde's stimme im <friese>passt sehr gut an diesen ort, an dem vor 20 jahren noch genäht und gewebt (kirschauer schlafdecken) wurde.  

wir treffen nach dem konzert eine der ehemaligen arbeiterinnen, die uns vom niedergang von friese und ihrer jetzigen arbeitslosigkeit erzählt.  aber vor allem bleiben andere details ihrer ausführungen in meinem gedächtnis: dass sie nächste woche wegen eisprungs  keine zeit hätte.  dass ihr sohn (etwas achtzehn und meist schweigend hinter ihr stehend) keine freundin bekäme, weil er abstehende ohren habe...alles mit völliger natürlichkeit vorgetragen.

es sind etwa 30 weiße, stapelbare, massenware-gartenstühle aufgestellt, auf die ich die <marathon-zählkarten> lege, auf denen <eintrittskarte>steht. um 19uhr 30 sind fast alle stühle besetzt:
  
grosses lob für die excellente werbung und vorbereitung des mm#124 vom obart-team stefanie, claudia und mike. eigens für dieses konzert wurden schwarz-weiss-plakate gedruckt und gehängt, pressemitteilungen verschickt und auch claudia goldsteins bunten slogan-karten wurden alle verteilt.

walburga und birgit kommen erst kurz vor halb acht, aber wir sind flink und können viertel vor acht starten.  das einzige mikrophon ist ein kabelloses, das abwechselnd birgit oder ich an die nähmaschine halten, um deren sound zu verstärken. auch walburgas mikro <interviewt> manchmal die nähmaschine. 

es wird eine bezaubernd intensive und abwechslungsreiche performance und walburga und ich machen mitten im konzert auch einmal bemerkungen zum benähten papierband (siehe unten)

die nähmaschine steht zwar im zentrum des konzertes, wirkt aber vor allem inspirierend und ist als instrument vielleicht nicht präsent genug. andererseits ist die leisheit und beschränktheit der klanglichen möglichkeiten der maschine und des knitternden papiers auch sehr gut und wichtig für den eindeutigen charakter dieses konzerts.

immer wieder kleine zwischenpassagen, die gut tun und sich nicht expizit auf die nähmaschine beziehen.
schöne ruhige stellen, die durch das brummen der gerade anfahrende nähmaschine gekennzeichnet sind.

dann der improvisierte text von walburga: ...hört sich an wie'n katzensprung...(wie was?)...wie ein katzensprung!---katzensprung--- jaah, das klingt immer so hoch, ah  ,so von unten so nach... oben so, ah ja..und jetzt is' grade ganz langsam, (gut,gut krieg'n wir schon hin), ja, nach oben, jaja, ja genau,...(eisprung, a..a, kat...katzen...)
man bringt sich da so nach links und nach rechts und  man denkt, sieht aus wie so'n stadtplan mehr so, so  so lauter strassen und so von links und nach rechts fahrn wir und man  weiss gar nicht mehr wo's langgeht, ja  wo sind wir denn da, da sind ja die ganzen kontinente drauf, die ganze welt, wir haben irgendwie den weg verloren, die rote strasse, ja, das ist wahrscheinlich die autobahn, strassen, ja, und was seh ich noch, keine ahnung, kann nichts erkennen, strassen... wohin willste denn fahren?  (ja, auf die insel!) auf die insel? wo ist das wasser, ich glaub, ich weiss nicht, ich seh's noch gar nicht so richtig. wo ist denn das wasser, kannste nicht mal wasser (mit)nehmen? >er will zur insel fahren wie immer<. die katzen, ja, vielleicht wachsen mal die katzen...  weiss auch nicht genau, ach die ham'wir natürlich vergessen einzupacken... (meine katze, die nannte ich mal haifisch) na... genau, da ham wir das wasser wieder, ne? ja, da sind wir wieder mal angekommen...wasser! ok, music, more music...


  

#123 im epilepsie-zentrum kleinwachau mit jörg ritter, schlagzeug

70 gespannte zuhörer und zuhörerinnen sind im schönen, hohen raum mit holzkasetten-decke versammelt, hinten ein altar. dieser haus-flügel ist auch die kirche von klein-wachau.

jörg macht das excellent am schlagzeug und er animiert mein spiel sehr. gleich zu beginn ein sehr heftiger vortrag. ich habe heute mal das cello cgda gestimmt. andere stimmung, andere inspiration. 

geräusche aus dem publikum erreichen mich und ich reagiere immer sofort. manches mal verstärkt es die reaktionen, manches mal lässt die prompte (musikalische) erwiderung verstummen.  

eine rezitativ-lyrische passage wird durch becken-klänge getragen. inzwischen habe ich zur darbuka gegriffen, benutze sie aber nur punktuell, als kleine erweiterungen oder als feedback zum spiel von jörg. 

dann stehe ich auf, singe im stehen weiter und wandre zum blüthner- flügel am rand des warm beleuchteten spielfeldes. ich fühle mich sehr entspannt und klimpre munter drauf los. 

meine stimme ist durch die täglichen konzerte inzwischen sehr rau geworden. in den hochlagen noch fein nuanciert, doch wenn ich druck hineingebe, klingt sie wölfisch und ein bisschen nach tom waits. (so sagte mir das kürzlich jemand)

carola lampe, bei der ich heute morgen meinen arbeitsplatz aufschlage (hatte eine gute nacht bett bei jörg ritter, von wo ich aber um 8 uhr aufbrechen musste) und wo ich mir das konzert gerade anhöre, will auch mal reinhören, hat jetzt die kopfhörer aufgesetzt und hört länger, als ich das eigentlich erwartet hatte. als einziges und lautestes höre ich einige schläge vom schlagzeug, passagen von mir am flügel und dann meine stimme aus dem kopfhörer zu mir herüberschwappen. carola lauscht noch immer und hat die augen geschlossen. sie hört bis zum schluss!

die unruhe im publikum ist hier etwas ganz natürliches. teil der musik. stört überhaupt nicht. 

schöner, meditativer, ausklang, der sich immer wieder auf dasselbe melodiefragment bezieht. der puls schwingt gleich mit den rhythmen von jörg, eilt mal leicht voraus oder hinkt leicht hinterher. das ohr bringt uns beide immer wieder in die exaktheit.

die zugabe ist ein lyrisch-ausgeflipptes cello-solo inmitten von rasseln und schellen.  sehr ausgefuxxt... und bleibt doch die ganze zeit erzählerisch. imitativ-rhythmisches finale.