interview mit gaby weiss, esslinger zeitung
nein. improvisierte musik braucht diesen wechsel natürlich nicht unbedingt. ich habe das projekt so geplant, um möglichst viele menschen zu involvieren. es wäre wohl kaum möglich gewesen, mit einem festen improvisations-ensemble 365 orte und veranstalter zu finden. die vielen musiker, mit denen ich spiele, tragen ganz wesentlich auch organisatorisch zum gelingen des musikmarathon bei.
solange die musiker während der 36,5 minuten auf der bühne mit respekt begegnen und konzentriert bei der sache sind und der wille da ist, nur mittels des ohres, der intuition und des raumes ein gemeinsames kunstwerk zu schaffen, ist in der tat alles erlaubt. ich würde es z.b. vollkommen akzeptieren, wenn ein musikpartner die ganze zeit lang keinen einzigen ton spielt, nur konzentriert da ist und das konzert so mitträgt. bei dieser konzertreihe geht es in erster linie um die (innere) haltung eines jeden.
allerdings. aber die grössten zweifel waren nie inhaltlicher natur, sondern eher, dass ich dachte, ich werde mich finanziell ruinieren und nie mehr aus den schulden herauskommen, die ich im letzten frühjahr angehäuft hatte. inzwischen hat sich dank ritter sport, einem mäzen aus göttingen und finanzieller unterstützung der stadt esslingen die lage wieder entschärft.
in erster linie übers internet, sowie über empfehlungen von musikern, die ich schon kannte oder eben auf meinen zweijährigen vorbereitungsreisen durch ganz deutschland kennengelernt habe. seit november 2008 habe ich etwa 75000 km zurückgelegt und hunderte von musikern persönlich kennengelernt. insofern kann man auch sagen, dass der marathon eigentlich schon stattgefunden hat und dass das kommende jahr dagegen honiglecken ist.
da kann ich natürlich überhaupt nicht sicher sein. im untertitel heisst mein projekt ja <musik braucht risiko>.
ja. ich will mit diesm projekt zeichen setzen. ich will sagen: hört, ihr menschen, hört, ihr kulturverantwortlichen: es gibt da eine sensible art, miteinander zu musizieren, die leider (noch) keine lobby hat. und ich will das genauso den musikern sagen und dem noch kaum existenten publikum einer solchen musik: das, was man da zu hören bekommen kann, ist äusserst lebendig, sensibel und anregend. und genau deshalb braucht es diese manifestation am schluss: das 365-minütige tutti-konzert im ziel des marathons geht zwardann irgendwann, allmählich und sang-und-klanglos in einer riesigen, fröhlichen sylvesterparty unter, aber auch das ist nur ein zeichen dafür, wovon sich diese art von musik nährt: vom zelebrieren des hier und jetzt.
ja, ich glaube schon. man kann ideen und überzeugungen ja auch an einem einzigen ort weitergeben, vorausgesetzt es gibt menschen, die sie hören wollen und deswegen an diesen ort kommen. für ganz unwahrscheinlich halte ich das nicht. aber natürlich will ich dann auch weiterhin improvisierte musik machen. und vielleicht habe ich während des musikmarathon 2011 auch die musiker kennengelernt, mit denen ich das am liebsten tun würde.

