20110519

#137 mit kaja schellenberg, gongs, klangschalen und stimme im holbornschen haus

wenn das mit dem fehlenden publikum so weitergeht...macht es auch nix. 

eine gewisse genugtuung, gute musik für die götter zu machen.

ganz bewusst platziere ich dieses <für die götter>, denn gong-konzerte sind für die götter und die magengrube, weil die liebe usw...

zunächst eine gezupfte melodie.

ein zartes jammerlied zum gezupfe und den ersten schalen-klängen (keineswegs schal, sondern voll und zart), die grosse kristall-schale füllt zuletzt völlig den raum. 

das cello dazu laut und rhythmisch, die stimme tief: so ähnlich, nur viel versierter, machen's die zen-mönche.  

viel platz für ausführliches cellospiel über dem wummern, brummen, kreischen der tiefen 90-cm-gongs.
kaja bringt, immer für ziemlich kurz, ihre stimme ins spiel, dann wieder die beiden tiefen gongs: der wasser-gong und der erd-gong, wie kaja sie nennt. sie will noch den für luft und feuer kaufen. 

zu meinen gesungenen tönen und linien, die zwischendurch vorherrschen, immer wieder kurze stimm-einwürfe von kaja.
 
nein, es ist keine wohlfühl-musik. vor allem, als kaja damit beginnt, ihre gongs mit gummibällen zu reiben, oder einen gong unvermittelt kräftig anschlägt, auch ihre stimme mehr natürlich als meditativ dazu einsetzt, dennoch durchaus sensibel, spürt man die geballte und rohe kraft unserer vorführung.
  
sie ist ja dann doch nicht nur für die götter, immerhin, sondern auch für zwei zuhörerinnen, die sich hier im foyer des holbornschen hauses eingefunden haben. 

es wird so laut--- ein gemisch aus brüllendem gesang und gong-gewalt---, daß der gesang kaum über diese hinausragen kann -und auch nicht soll. 

trotz starkem willen, alles noch zu übertönen, bleibt die stimme in die gongs eingebettet und ich wundere mich nachträglich, dass nicht doch noch lauf-hörerschaft von der strasse aus neugierde, was denn hier drinnen los ist, an die grosse holz-tür klopft, die auf die rote strasse hinausführt, mitten in der altstadt göttingens.

und es geht im wesentlichen abgründig und extatisch weiter. das spektrum zwischen sehr leise und sehr laut ist vollkommen ausgelotet. 

einen ganzen moment lasse ich kaja und die gongs alleine donnern, ich muss mich regenerieren. 

dann versuche ich, ein lied mit tamburin und stimme ins dröhnen zu setzen, auch kaja singt, die gongs schwingen aus. nach einem metallernen quietschen und erneutem raumgreifen der kristall-klang-schale, benutze ich die holz-trillerpfeife so, dass sie sich zwischen vogelgezwitscher und zurechtweisung platziert, was eine wundervolle aussermusikalische wirkung zeigt. 

das ist natürlich nichts weiter als eine plumpe interpretation des geschehens, tatsache aber ist, dass just ab diesem moment unser konzert für eine lange strecke sehr differenziert und leise wird, kaja sehr schöne stimm-einwürfe macht und meine mischung aus flötenspiel und gesang noch eine neue färbung ins konzert bringt. 

eine längere beschwichtigung der gong-gewalten.  

generell:
sich in solchen zusammenhängen auf psychologische betrachtungen einzulassen, führt auf aussermusikalisches glatteis. das ist durchaus nicht richtig. man sollte das nicht tun.   

und ich habe das während des konzertes auch nicht so wahrgenommen...nur ein gedanke am rande, jetzt. also, herr graeter, zurückrudern!

fazit aus diesem aufwühlenden konzert: da sollte noch was nachkommen! mit gong- und klangschalen-musikern zu musizieren, ich hätte nicht gedacht, dass das so überaus schön und inspierierend sein könnte.

besonders gut gefiel mir auch, was nach unserem konzert geschah: 
wir gehen ins gaudi, ein schönes, sehr gutes restaurant ganz in der nähe und reden stundenlang über oliven-sorten, wie lange man sie wässern muss und welche würz-kombinationen besonders lecker sind. denn kaja und ihre freundin arbeiteten jahrelang für einen olivenhändler hier in göttingen und kennen sich sehr gut aus. in dieses gourmet-gespräch passen auch meine anekdoten über trüffelkäufe auf den märkten in carpentras und richerenches... 

 













roland graeter
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#136 mit thomas wetzorke, tanz und stimme/monika althoff, tanz und stimme/nicole, stimme und perkussion

zugrauschen #1 läutet unsere performance ein... thomas wetzorke führt ein, es ist das erste konzert hier in der wassermühle friedland.

ja, das wird hier eher perfomance als musik und es wird von thomas auch so angekündigt. es wird witzig und kommunikativ. eine art dschungel-camp, nur viel besser, weil da nicht geredet wird.

die stimmung legt nahe, alles könnte und sollte im freien und in der sonne stattfinden, denn unsere performance ist sehr fein mit diesem reiz des dilettantischen ausgestattet, der so sehr in bann ziehen kann. eine mischung aus anziehen und abstossen, um genau zu sein. warum ich alles mit sonnenschein in verbindung bringe? keine ahnung.

eine performance, die sich zwischen musik, befindlichkeits-äusserung, expressivem tanz und theater bewegt, kann durchaus publikumswirksam sein. diese ist es. und das versteckte <das kann ich auch>, das ich bei gesprächen nach den konzerten immer mal wieder heraushöre, träfe hier vielleicht eher zu als meist. und warum auch nicht?

<es> <vor publikum> zu versuchen, was ist daran verwerflich?
gar nichts.

der nächste zug, #2, ein sehr kurzer, donnert nach gefühlten 10 minuten hinter unseren rücken vorbei und korrigiert das gesummte, gesungene und ertanzte idyll. dann gleich noch einer, #3

ohne diese häufigen güterzüge wäre all das vermutlich weniger. weniger wäre hier nicht mehr.

da noch keine musik im raum ist, stimme ich einen langgezogenen ton an. es wird gesummt und gesucht. ein rhythmus kann nicht falsch sein, denke ich. ruhiges klopfen. dann öffne ich die augen und begleite thomas wetzorkes faszinierenden tanz mit dem cello.

nicole lacht und singt sich frei... hysterie und schluchzen. dann tut sie sich mit monika zusammen, die beiden bilden eine klagende einheit. ich verstärke das jammern mit stimme und mundharmonika und als diese schmatzende laute produziert, wird die stimmung kindlich-freudig und verspielt. ist da nicht doch ein bisschen musik?

es sind klare und auch ziemlich klischee-hafte stimmungsbilder, die wir produzieren. mit musik hat dieses konzert wenig zu tun, doch die grundvereinbarungen des musik-marathons sind da:

konzentration, zuhören und respektieren der anderen.

ich zähle die vorüberrauschenden züge: es sind sechs, der vorletzte ein ziemlich langer.

jetzt lege ich mit der mundharmonika los und nicole singt jajajajaaa!

aus einer längeren pause führt eine klangschale und das monocord heraus. mein knittriges tambourin kann keinen rhythmus etablieren.

ich warte auf den nächsten güterzug, aber er kommt nicht. es kommt ein kleines lied von nicole und jemand stampft beherzt auf die holzdielen , so dass alles zittert und bebt, was daraufsteht. bin ich das?

dann kommt der zug #4 mitten in eine kleine meditation hineingefahren, wird von uns aber völlig ignoriert.

eine weitere ruhepause, klappern. aha, aha.... ich greife die einfachen lautmalereien, die im raum sind, auf:
eijeijei, eijeijei...

und ein fünfter zug, der lange.

ein leises lied an den kongas, nicole spielt bambusflöte.

auf dem cello spiegle ich die stimmung im raum. musikalisch tut sich wenig. das wenige ist aber genug.

für meinen <geschmack> hätte es im nachhinein noch sehr viel weniger sein können. dass ich versuche, dort musik hineinzubringen, war vielleicht nicht die richtige idee.

ein lauter, schmerzhafter stimm-ausbruch von mir.
ich singe hier <echt> und nicht musikalisch. das erschreckt mich, passt aber in den kontext.

weitere stimmen hängen sich an mich.

dann ein stöhn-tutti, gefolgt von einem <vista vista interssanto> , einer kurzen,intensiven lautmalerei von thomas, zu der er durch den raum tanzt.

von monika althoff nehme ich vor allem die <aktion mit dem stock> wahr. ich könnte wetten, dass sie als blonde gondel-fahrerein
durch den raum gleitet, kann es aber nicht bestätigen, da ich meistens, wie gewohnt, die augen geschlossen habe. in mir ist für lange zeit dieses gondel-gefühl.

dann nochmals ein verträumtes nichts, bei dem man das cello, zwei daumenklaviere, das monochord und diverse geräusche hört. daraus entwickelt sich ein <cellosolo über holprigem grund>.

übergang in vielfältige gesänge, aus denen ich mit dem cello oder mit der stimme etwas herauszufiltern suche.

mit einem tiefen celloton geht alles zu ende. fast.

denn dann fährt zug #6 vorbei.

das hätte andächtig der moment sein können, der unsere widmung an den permanenten fluss der <ware gefühl> noch einmal hätte unterstreichen können. aber ich kommentiere in den zug hinein: <scho vorbei, scho vorbei, das als bye-bye, bye-bye aufgegriffen wird...

einen kommentar aus den eigenen reihen posaune ich hinaus ins klatschende publikum: <au weia>


dieses konzert hat, ich denke allen, grosse freude gemacht, auch wenn es gar kein konzert war. wie angekündigt.