20110501

#120 mit martin schulze, posaune/walburga walde, stimme/agnes ponizil, stimme

den ganzen nachmittag habe ich mich ausgeruht. meine berichte müssen warten. ich werde auch nicht mehr alle konzerte anhören. die berichte werden also ungerechter und intuitiver werden als zuvor. 

die galerie petra schulze in der kamenzer strasse ist noch geschlossen. ich finde direkt vor der tür einen parkplatz und gehe im bio-imbiss eine suppe essen. als ich zurückkomme,
stimmt die zeit besser. martin kommt mit seiner posaune aus dem nebenhaus. franziska, seine frau, die ich auch schon von einem konzert im sommer 2009 kenne, begrüsst mich herzlich. 

die beiden sängerinnen kommen spät. 
wir springen etwas überschwänglich in dieses konzert. 
agnes will eigentlich texte lesen. ich mache eine kleine bemerkung und so lässt sie es bleiben. generell sind meine erfahrungen mit texten, die abgelesen in die konzerte integriert werden, nicht sehr gut. 

es gibt fast keine solos oder duos oder trios in diesem konzert. dennoch sind wir vorsichtig genug, dass das gesamte konzert sehr farbig und transparent bleibt. 
martin ist heute beim umgang mit der posaune sehr sparsam. die meiste zeit produziert er geräusche. 

besonders gefällt mir eine passage ganz am ende, als walburga französisch klingnde lautmalereien zaubert.
ich greife die auf, höre daraus wirkliche worte, gebe die dann singend auch wider. das schöne dabei ist, dass walburga gar kein französisch spricht oder versteht. dass sie meine worte also nur musikalisch wahrnimmt und sich also nur auf dieser lautmalerischen ebene davon zurück- inpirieren lässt. 

nach dem konzert verläuft sich der abend relativ schnell. martin, franziska und ich steuern noch eine musik-kneipe mit kolumbianischer live-musik um die ecke an. 

mir ist das dann doch bald etwas zu viel. 
das schöne yenitse-zimmer in der city-oase ist viel verlockender. 


mm#119 mit carola lampe, initiatorin der malfreiheit dresden

langer spaziergang mit s. an der elbe entlang raus nach
loschwitz. vorbei am haus der übernachtungs-geber von tag#96 auf #97. die barock-kirche loschwitz, wo ich kürzlich mit simone weissenfels gespielt habe, schauen wir uns nicht an. ferienstimmung: apfelkuchen, käsekuchen, grüner tee, doppelter espresso. in die chocolaterie nebenan reinschnuppern.  kleine renovierte häuschen- es bleibt noch viel zu tun- am körnerplatz. <blaues wunder>heisst die stählerne brücke über die elbe.
wir wandern zur hälfte den weg zurück. auf höhe der neuen elbbrücke steigen wir in die strassenbahn nr.11

ziemlich entspannt fahren wir gegen 18 uhr zur malfreiheit in der neustadt.  das konzert findet im mal-aktionsraum unten in einem büro-gebäude gleich rechts des eingangs statt. carola hat alles sehr schön vorbereitet. plakate beschriftet und gehängt.  leute eingeladen, häppchen vorbereitet. als wir kommen, liegt sie auf einer decke im gras vor dem haus.

8 zuhörer. alle sitzen auf kleinen klappstühlen. zwei neon- deckenleuchten verbreiten eine sehr diffuse, neutrale stimmung. 

aus dem augenwinkel sehe ich carola lampe braune farbe auf das nicht mal 1 qm grosse papier klatschen. meine töne sind spröde, leise, zurückhaltend.  wir kommen ziemlich langsam in fahrt.

am besten gefällt mir an dieser performance, dass carola immer wieder auch singt.  wie beiläufig singt, aber die tonhöhe meiner gesänge genau trifft.  wie wenn ihre stimme aus meiner hervorkäme. eine gelungene überlagerung. 

es gibt leute im publikum, die sind therapeuten. sie äussern sich nach dem konzert aber nicht. eine frau sagt, ein malender jackson pollock hätte besser zu meiner abstrakten musik gepasst.  mir gefällt aber auch der verschwommene geist-kopf mit langem grünem bart, den carola während der 36,5 minuten entstehen lässt.  für sie verging die zeit im flug. sie hätte lieber 90 minuten lang gemalt, die sonst übliche zeitspanne für das entstehen eines ihrer bilder.

wir ziehen noch durchs neustadt-nachtleben. sehr lebendig ist es an diesem lauen freitag-abend. drei frauen und ein mann stranden schliesslich im fabeltier-bemalten kunst-hinterhof in der alaunstrasse. meistens lausche ich ulrike, ute und carola nur.  beziehungsgespräche, was sonst. eigentlich interessant, das alles. ich kann nicht genug konzentration aufbringen.  die lebenssituationen, in die sich viele menschen stürzen, kann ich nicht nachvollziehen. 
es ist eine mischung aus neugierde, irritation und kopfschütteln, die meine aufmerksamkeit auf dauer nicht fesseln kann.  ausserdem denke ich an den rückstand, der bei meinen blog-einträgen schon entstanden ist.  und daran, dass es mir immer schwerer fällt, über das eigentliche, die konzerte nämlich, zu schreiben.  man merkt's ja hier schon deutlich, welche freiheiten der berichterstattung ich mir jetzt schon herausnehme. 

obwohl ich nicht das gefühl habe, dass sich das projekt totläuft. dennoch schiebt sich ein keil aus alltag und stress zwischen die lust, die offenheit, die neugierde und die bereitschaft, immer wieder alles rund um das projekt von vorne zu erklären. 

und fakt ist, dass ich mehr ruhe brauche als die monate zuvor. deshalb auch der dritte tag in der city-oase dresden. es ist sehr entspannend, dort im schatten an einem gartentisch zu arbeiten. in der ferne die hörner der rad-dampfer-parade auf der elbe. 
  

 


#118 mit günter baby sommer in der galerie bernd beyer, dresden


ein wunderschön austariertes konzert mit baby sommer, bei dem ich viel singe. in dem ich mich wohl fühle, von babys schlagzeugspiel sehr getragen und inspiriert.

grosse virtuose breite.

das cello leicht und häufig schnell. baby sehr diskret.

stimme tief, rauh. meditative glocken, klangschalen und besen, dann ein pizzikato von mir, in das ich den rutschenden stachel des cellos integriere.

ausgeglichene übergänge: vom cello zur stimme zum cello zur stimme zum cello...

duo zwischen oberton-reichem cello und klingenden rasseln und schellenbündeln.

leise und virtuose stimme.
dann laut und tief. sehr gut zusammen.

flöte und stimme...

ein ende schon nach 30 minuten, viel applaus.
dafür ist die zugabe länger...ein zweiter teil.

baby redet später bei wein und oliven viel über seine musik zu lesungen von günter grass. oder flapst mit dem hausfotografen der semper-oper, der neben mir sitzt und bedauert, seinen fotoapparat nicht mitgebracht zu haben.

ich bedaure das insgeheim natürlich auch.

 


 

 

 


#117 mit andreas nordheim, cornett /michael protzen, basstrompete/willie völkel, e-gitarre/konrad baumann, drums

das sehr erstaunliche quintett im schönen johanniskirchlein crimmitschauer strasse in zwickau: 

ein junge mit einem gitarrenkoffer fragt am eingang zur kirche, ob das hier das konzert sei, wo man einfach mitspielen könne.  

der junge perkussionist, konrad baumann, der vielleicht noch jüngere gitarrist willie völkel, der sehr entspannt wirkt und viele musikalische ideen mitbringt. die trompeten von andreas nordheim und michael protzen, beide sehr virtuos.
  
das erste thema vom cornett, aufgefangen von der gitarre, dann geht es für kurz in richtung freejazz weiter. bald kehrt wieder ruhe ein...

schönes trio aus gitarre, cornett, stimme, das im in ein dichtes chaos mündet.

zwei geräusche der trompeten. bald eine art tropischer dschungel. so etwas entstehen zu lassen ist archaisch und anspruchsvoll zugleich und wird von allen verstanden. eine musikalität, die in jedem steckt. 
all das wird getragen vom gestimmten daumenklavier, das aus konrads ecke klingt. und der gitarre von willie.
obwohl er höchstens 15,16 sein kann, ist er vermutlich mehr schamane als der selbsternannte willie r. das  ist das natürlich nur so eine empfindung. 

irgendwo singe ich zwischendrin, zwischen vögeln und anderem getier. grosser klang-farben-reichtum.

neuer teil: durch die trompete von andreas nordheim angeführt. sehr bizarr getragen durch die anderen musiker. 

ich bleibe über weite teile des konzertes im hintergrund.
das ist ein wunderbares team, das weder zusätzliche inspiration noch führung braucht.
 
dann kommt doch noch so etwas wie ein cello-solo. die anderen spielen dazu genauso eigentümlich und prägnant wie gut.
 
noch eine erwähnenswerte strecke mit flöte und stimme, sehr phantasievoll von den 4 musikern integriert, eine der rundesten passagen in diesem konzert, das dann auch mal sehr laut und archaisch wird. 

anschliessend ein melodischer teil, eine melodie von der gitarre...dann immer leiser, die stimme umsingt das kleine gitarren-thema.

dann wieder die beiden trompeten.
die sich immer weiter ins kirchenschiff und die sakristei entfernen.  ich singe weiter zur gitarre.

wir sind dann eigentlich fertig, doch schamane willie interessieren die 36,5 minuten nicht. er ist ausserhalb irgendeiner zeit. seelenruhig entwickelt er ein ausgedehntes gitarren-solo.

finale mit andreas, michael, konrad und willie. sie holen ihn ins ende des konzertes zurück.

konrad hilft beim einladen der instrumente.
wo ich denn morgen spiele?

<...ah, sie kämpfen sich also wirklich quer durch ganz deutschland?>

grosses lob den beiden jungen musiker konrad und willie.
das ist wirklich die überraschung, die andreas nordheim mir  ja schon versprochen hatte.