20110210

mm#40, überlingen, 9.2.11 mit hubert bergmann in der jodokstrasse 17a


was man da aus dem feinen teppich des gamelan-artig präpariereten flügel des hubert bergmann vokal herausbrechen hört, ausbrechen hört, das ist zusammen wirklich musik: 

wo zusammenpasst, was eigentlich gar nicht zusammenpassen kann, weil eigentlich ein suppiges chaos daraus werden müßte. das geschieht in der tat, aber eben nur für kurz, und somit wird die suppe ein überzeugendes kompositorisches element. es stört den differenzierten verlauf keineswegs, auch als ich dann ein raues lied singe und der strom des gamelan-teppichs nicht abbricht.

oder später, als das liedsingen zum abstrakt- majestätischen holzfällen gerät und  das präparierte spiel sich ganz unmissverständlich in die archaische vorgabe verbeisst.
 
erneutes fast-chaos, aber was gebiert es? einen ruhigen cello-vortrag, der auf den schnellen, farbigen tonfolgen des flügels gar nicht landen dürfte.
 
folgerichtig ist, dass sich das cello dann doch immer wieder anstecken lässt durch die wuselig-fliessende atmosphäre, die das ganze studio füllt...und für kurze minuten mithält. 

dann wird das cello weggelegt und es geht mit knackender sitzbank,  scharf geschlagener darbuka, einer art  <canti del capricorno> und kongenialen spielzeug-und scherzartikel-instrumenten-sounds weiter. 

das daumenklavier wird angetestet und wieder beiseitegelegt.  ein tastender zwischenteil...
mündet in ein solo von hubert. ich mache gar nichts. ist auch nicht nötig. hubert füllt komplett und überzeugend den raum.
 
dann irgendwann doch wieder cello: ein weiterer free-jazziger versuch: nein, es ist wesentlich und differenziert, was man da hört, etwas, das schlüssig, doch nach einigen minuten wieder vorbei ist. 

musikpakete der richtigen schwere.
 
mit einem ausgedehnten pizzicato zum dezent führenden piano geht das konzert zu ende.

bei der zugabe setzt sich meine immer weiter sich ausbreitende langsamkeit in der bedienung des cellos fort. stimme kommt nicht mehr vor. 

 


roland graeter
seracher strasse 219 
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nachtrag mm#39 wallmeier/lindenmaier

freejazz??? mit lindenmaier und wallmeier, fernöstlicher, eckiger freejazz. abgeschrägt durch pausen und stocken, geschönt durch tonales, dann aber genau das, was freejazzer wollen. gut!!! ja!!! nur für ein paar sekunden allerdings, dann wieder zurück in die ganz ruhige welt mit den abgeschrägten pausen. ich stoße kaum etwas an und aus den pausen wird ein schwall von vielen kleinen noten. dann bin auch ich free-infiziert und jage mein cello durch viele kleine nötchen. das eckige, kurz angebundene bleibt. das ist gut. das gibt diesen unverwechselbaren charakter dieses abends. eine lange, schwere melodie von sandra, ein walk, der dann aber durch unsere brodelnde unruhe überspielt wird.  

was solistisches mit stimme von mir darf nicht ausbleiben. bevor das verloren wirken könnte, eilt mir h. lukas l. zu hilfe. 

der charakter des trios: dass alles immer wieder von löchern der ruhe verschluckt wird und wir uns daraus abrupt erheben. 

dann etwas sehr tiefes, reibendes, aufreibendes, das aber einen groove hat, ein schreitender king kong. legt sich schlafen. 

erneut gesang: sprechgesang auf schlagzeug. sprache wird von lukas aufgenommen: das ist der moment für ein duo lindenmaier/wallmeier, das grossartig knallt...und wieder das schwarze loch, aus dem sich erneut ein song erhebt, begleitet durch den pendelnd-kreisenden kleinen waldteufel und viel bunt-perkussives von lukas. die quietschfiguren kommentieren das verträumte ambiente, die klarinette ist abwesend. 

und dann: "es war einmal eine zeit, da dachte ich: fahrräder, die gibts nicht mehr. und dann sah ich eine frau auf einem vorbeifahren."

da stand mit einem mal dieses stück text im raum, völlig unerwartet und isoliert: auch das passte völlig in dieses konzert rein.

und so geht es weiter: stück für stück, bruch für bruch,
lyrisch, free, textig, feinfühlig, brutal, für momente unisono

der ausklang besteht aus einer kleinen chromatik aufwärts, repetitiv von klarinette und cello getragen, immer wieder leicht und anders betont, auch mal absteigend, dann von der stimme übernommen: eine geflüstert-chromatische erzählung, immer heftiger, wider zurückrudernd, ende? nein! schlagzeug!

sandra lässt das thema nochmal aus dem sack, führt jetzt aber aus: und wie schön! schreiend schön!
pizz, immer weniger: jetzt ist wirklich schluss!

eine gelungene session: farbig!

zugabe: hohe stimme, xylophon, unterhaltung im aderen raum. clarinette mischt sich dazu. tröpfelnd.
vorsichtig: so ganz anders als das übrige konzert.
kein excerpt des vorigen: nein, ernst, sensibel: lediglich das ding dong des xylophon, das wie eine ladentür-glocke klingt und das ende: 

"you made a mistake" (lindenmaier)
"moinsch" (graeter, schwäbisch)