20110217

mm#47 zehntscheuer ravensburg mit thomas fuchs, elektronik

es geht völlig abgefahren meditativ los. ein rhythmisch geführter celloton unterstützt eine brüchig-rhythmische litanei, doch der friede wird schnell gebrochen durch viertel-ton-abweichungen, durch synkopisches, stolperndes.

und auch durch irritierend amerikanisch klingendes. 
free-jazz-einlage, unkalkulierbare, archaische stimm-ausbrüche werden immer wieder durch den meditativen grund eingefangen, allerdings immer weniger oft.  immer mehr ausbrüche, selbst wenn  die lautstärke generell eher abnimmt. 
man hört: <bureaucracy> <this more>, dann ein völlig schräges, kurzes cello-solo, das alles zudeckt. zurück zur
meditativen klangperformance...nur für kurz, 
dann ein zweites solo, nicht weniger speziell, aber besser einzuordnen: bluesig, rauh.  dann gelingt thomas ein einstieg, der wieder an die meditative klangperformance des anfangs erinnert, nein, der sie konsequent weiterführt.
ich entwickle auf diesem teppich ekstatische opernmusik, die manchmal in selbstreflektives gemurmel umkippt, immer wieder dem deftig sich dürstenden cello raum gibt und dann wieder im galaktischen nebel der elektronischen möglichkeiten versinkt...

"nein, langweilig wird es einem da nicht. keine sekunde":
so nach dem konzert jörg eberspächer, der das zehnt-scheuer-programm verantwortet...und er ergänzt: "man kann es einfach nicht glauben, dass sich dieses konzert nur knapp 30 leute reingezogen haben. es scheint, als würdest du mit thomas fuchs schon dein halbes leben lang zusammenarbeiten. man sollte das, was ihr da gebracht habt, nicht als musik, sondern als die abgefahrenste ad-hoc-live-hörkunst verkaufen, die es je gab. das mach euch erst mal jemand nach. perfektion aus dem stand."

ich glaube, eberspächer hat da ein bisschen übertrieben. 
muss aber sagen: gut und erstaunlich ist das ergebnis auf jeden fall.

mit der beschreibung des konzertes bin ich noch lange noch nicht durch.  es wird noch einen zweiten teil geben. 
jetzt erst mal weiter ins lagerhäusle nach frickingen-altheim.
treffe zum vierten mal auf uli kieckbusch. heute aber nicht als pianist. 

mm#41 nachtrag blaskapelle lautenbach


trillerpfeife. trillerpfeife gestückelt. ruhe. geräusche des ausfahrenden cello-stachels. sensibler, perkussiver beginn.

eine bläserwolke schwillt an, schwillt ab. mein gesungener ton bleibt alleine stehen. sensibler zwischenteil, tastende töne, schnalzen, obertöne, pizzikato-cello, mundharmonika:
sensibel, zaghaft, voller erwartung und potential.
 
eine zweite bläserwolke. man ahnt kaum, woher der anstoß kommt.  schwillt wieder ab.
 
kurzes sensibles intermezzo, dritte bläserwolke: 
bläsersatz mit schlagzeug. länger, dicker als die vorigen. wird durchsichtig, fein, wird nicht so leise wie die ersten beiden male, schwillt wieder an: 

solistische schlagzeug-einlage. die bläser nehmen sie auf und führen die wolke in die sonne, bis da nur noch der strahlende himmel zu hören ist.

dann cello, ein saxophon,  pfeifen. alles im dschungel. ein neuer rhythmus verleiht dem ensemble neuen mut, neue farbe.
 
crescendo...decrescendo, ein wolken-wellen-konzert: ein sehr freier mittelteil jetzt: eine gewitterwolke. kein bläsersatz mehr. jeder spielt individuell, getragen. hochsensibel wird aufs ganze geachtet. eine unglaubliche leistung, dass sich ein 25-köpfiges ensemble zu einer so transparenten einheit bringen kann.  
ziemlich plötzlich wird es wieder sehr leise, wie von geisterhand dirigiert. cello und stimmen, mehrere stimmen, werden hörbar. wundervolle durchsicht in eine welt jenseits der musik.
das schlagzeug klopft an: die nächste wolke, die fünfte, bläht sich auf. jetzt ungehemmter, vom einer rhythmischen struktur etwas länger ausgedehnt als die vorigen. schäfchenwoken? ein rhythmisches muster bildet das schon, es sind aber wesentlich dickere, plumpere tiere als das, was man unter <schäfchen>assoziiert.  

dazwischen hört man geschrei und gebell, dann ein stimmsolo, das bald sehr rhythmisch aufgegriffen wird. 

ein marsch, der sich gänzlich von allem vorhergehenden abhebt.
tonfolge nach oben: fröhliches getümmel türmt sich darüber auf. dieser puls, dieser marsch gefällt allen...und dauert an.

im hintergrund scheint ein ganzes volk zu grölen.

dann wird der marsch müde, ebbt völlig ab in die leere.

neuanfang. hupende geräusche, knarren, ein einsames saxophon, das cello spielt pizzikato , <ruhe in frieden> sagt jemand. imitierte tiergeräusche. tröten. 
es wird jetzt richtig laut und chaotisch: eine art free-jazz.
oben drüber melodien.  das schlagzeug spielt eine grosse rolle.  gesang aus einem lautstärke-loch: rufe. es riecht nach fussball: zuzuela?

wieder ein zwischen-ende, in das ich mißachtend hineinspiele. diese mißachtungwird sofort aufgegriffen. es wird nochmals laut, rhythmisch und laut.  mein aufnahmegerät setzt seinen limiter ein. 

ist alles doch ein bisschen lang?
ein langes, zähes mus? man bekommt aber keine zeit, über so etwas länger nachzudenken. 
trommelwirbel. sprachstudio. viva la vida.
wieder dieses führende saxophon. ganz vorn. wenn jemand hier dirigiert, ist es der schlagzeuger oder diese saxophonistin. das saxophon ganz vorn. fast immer.

festliche coda. es geht dem ende entgegen. aber schluss ist noch lange nicht.   trompeten dehnen das ende aus. weiten es.  (man glaubt immer: jetzt dann bald...aber denkste) 
sollte man  mehrere kurze stücke daraus machen? 
ist das vielleicht doch eine zumutung? 
nein. denkste. alles bleibt weiter sehr energievoll.  hier ist gestaltungswille pur und nicht nur wille. hier ist tatsächlich gestaltung. und wie.
 
mit einer stimme aus dem off scheint man sich auf das ende geeinigt zu haben. dann ist es da.

zugabe!

komm, wir klatschen auch, für unser publikum.
wer sagte das? 

eine kurze, ganz leise zugabe. sage ich. 

wieder die stimme aus dem off und zu frühe blumen auf die bühne.

das cello wird wie von schräg oben schnell übertönt.
die musik ist sehr fröhlich. heiter.

viele, viele stimmen.  ein riesiges fest.