20110509

#128 mit ingeborg freytag in der kub galerie leipzig

ein sehr virtuoses duo legen wir da hin, ingeborg, meist inspiriert 
von stéphane grapelli und ähnlicher musikrichtung, und so regt sie auch in mir das fein ziselierte an, obwohl das eigentlich nicht so sehr meine sache ist. aber genau dafür ist der musikmarathon ja gut: gegenseitig inspirierte intuition. 

das ergebnis ist schön und dicht und die paar leute, die mal wieder das glück haben, einer gelungenen marathon-begegnung beizuwohnen, sind auch sehr angetan. 

die akustik hier im kub in einer alten metallwerkstatt eines kastanienbaum-bestandenen leipziger hinterhofs ist sehr gut. man braucht keinen druck. alles gerät spielerisch und leicht. die veranstaltungsreihe, in der wir hier das 128. konzert des musikmarathons präsentieren, heisst KRAHPENG 

die duo-passagen von geige und cello sind ausgedehnt, auch stimme und geige geht sehr gut zusammen. 

dann ist auch platz für ein ausgedehntes stimm-solo, bei dem ingeborg nur einen tickenden puls mit der geige gibt. verschiedene soli im wechsel. 

und auch mal ein duo, das von perkussiven strukturen geprägt ist. darüber stimm-fetzen. 

auch geige und darbuka geht, dann wechsle ich aber etwas ungeschickt mittendrin zum tamburin, da mir ein weicherer klang besser zu passen scheint. husten. meine energie verabschiedet sich kurzzeitig. merken tut das wohl ausser mir niemand. 

man merkt lediglich, dass das konzert sich unvermutet in eine sehr lyrische,
erzählerische richtung bewegt, die weniger energie verschlingt: tamburin, stimme und pizzikato-geige. eine unerwartet schöne, behutsame mischung. so könnte es stundenlang weitertröpfeln. nochmals husten. neuer ansatz zum gesang. allmähliches verebben. 

das pizzikato geht aber weiter, ich greife zur mundharmonika, sauge sie aus. 
hört sich wirklich gut an. während des konzertes war ich mir eher unsicher, ob das musikalisch gut geht.

sehr spannungsreiches ende, in dem ingeborg immer wieder versucht, nochmals loszulegen und ich mit der bluesharp konsequent und leise retardiere. 

die zugabe kommt erst nach einer 10-minütigen zigaretten-pause.

gelungenes duo cello/geige mit vielen komplexen verschränkungen und abtauchen in diffuse klangmeere. und ab und zu stimme. solo von ingeborg.
ausklang mit duo stimme/geige: entspannt suchend, zwischendrin virtuose intarsien.

ruhiger arbeitsplatz hier heute morgen über dem kub. spätes frühstück mit 3 spiegeleiern und läpprigem kaffee schräg über die strasse für 3 euro. in einer kneipe mit immernoch-ost-touch. könnte hier ewig bleiben.  bin ausgeschlafen wie lange nicht mehr. und es macht mir richtig laune, das konzert mit ingeborg gestern abzuhören. als ob die guten geister des gestrigen abends hier nach oben durch die decke diffundieren... 
    
 

 


 


#126 mit hartmut dorschner kulturscheune bärwalde

wenig zuhörerschaft im giebel eines flügels des dreiseit-hofes kulturscheune bärwalde von andreas lorenz und erika, vom wasserschloß moritzburg vier kilometer durch den wald, vor der kirche links abbiegen ins unterdorf.  

zwei der drei flügel des hofes sind renoviert, eine ferienwohnung eingerichtet, die felder  verpachtet, andreas' eltern leben noch auf dem hof, auch ein paar hühner und kaninchen, der wald, durch den ich gefahren bin, gehört teilweise zu den ländereien. wir sind in der moritzburger flachkuppenlandschaft. viele touristen-kutschen, überall pferde, ich begegne einer frau auf einem fahrrad, die hinter sich drei pferde über einen feldweg lenkt.

es geht unvermittelt, free-jazzig und rhythmisch-unrhythmisch los. springbogen-geleitet. und aus. und los: sensibles zwiegespräch. 
bald landet hartmut dorschner in einem ausgedehnten langsam-triller, den ich impulsiv und nach minimal-music-manier unterfüttere.  sehr gewagte brüche, die in kleine sprech-arien münden. gegrunze vom saxophon. 

weiter, weiter, wir müssen weiter. der raum ist zu trocken, um in harmonien zu schwelgen. auf hartmut dorschners anraten haben wir uns ganz nahe an der rückwand postiert, um mehr volumen zu spüren.
  
ich mag ja inzwischen auch diese trockenen räume, wo man den eindruck hat, ein sperrholz-oder spielzeug-cello zwischen die beine geklemmt zu haben und wo man glaubt, in ein loch zu fallen, wenn man mal eine sekunde keinen laut produziert.  

das ist ein guter effekt des marathons: es kann einen kaum mehr eine situation schrecken.  man klickt sich einfach auf <on> und das konzert nimmt seinen lauf. unter welchen bedingungen auch immer. 

wenn man mit so einem versierten, sensiblen saxophonisten wie hartmut dorschner spielen darf, ist das natürlich ein besonderer sahneklecks.  professionelle sicherheit des partners entspannt mich doch immer sehr.

lange jazz-phrasige passagen. es erstaunt mich, dass ich mich darauf so gut einlassen kann. entspannung eben. echte entspannung. auch das: nicht originell sein zu müssen. 

dorschners saxophon klingt jetzt wie ein trabendes pferd.  als ich mit darbuka und stimme dazu-komme, ist es als wenn sich eine frühlingswiese ausbreitete.

der langsame triller, der dieses mal eine melodie durchschimmern lässt, kehrt wieder, die frühlingswiese wandelt sich in einen schwermütig jammernden wald. das pferd hinkt. doch plötzlich feiern alle und es ist wie auf einer kirmes.  

ja, man kann durchaus  bildergeschichten zu dieser musik erzählen, obwohl mir so eine übersetzung eigentlich eher fremd ist. hartmuts saxophon drängt mich heute unausweichlich in die bildlichkeit.

das kürzeste konzert des marathons. nach 24 minuten ist ein schönes ende gekommen.  wir hätten bestimmt nochmals angehoben, es wurde aber geklatscht und dann beginnt andreas lorenz ein gespräch. hartmut klappert noch mit seinen saxophonklappen vor dem mikrophon und will vermutlich weiterspielen. als ich mich dann aber auf einen stuhl vorne im publikum setze, ist fürs erste endgültig schluss.

wir reden über <die tonne>, die tonne-zeiten, tolle konzerte in loschwitz 1984, da gabs alle 5 tage so verrückte geschichten. wilfried staufenbiehl, ist dir das ein begriff?...weiss wie vogelkot...interessant so leute zu kennen, die ähnlich arbeiten...so was von tot in dresden heute...da waren so inseln...und heute nichts mehr...hätte am dienstag bei der anne munka in der hellerau reingepasst...dienstags immer projekte in der hellerau...als junger, aufstrebender künstler...blaue fabrik ist flau...du bist raus, ich bin raus...die machen jetzt viel disco...nur das festival improvisierte musik gibt es noch...beim udo wäre das nicht möglich gewesen...nie improvisiert? später hat er das nimmer gemacht, der udo, der ist jetzt rentner...hat auch seine zeit gehabt...

dann gibt es doch noch eine zugabe. uwe krause, gibt's den noch?...
<musikalische luftfracht> sagt hartmut, dann kommt als erstes 
mein liedhaftes cello-angebot, das wird von ihm aber nicht angenommen wird. es wird durchkreuzt. juckt mich aber nicht. spiele das begonnene weiter, habe ja schliesslich vorgelegt. dann gehe ich doch auf die vielen kleinen jazzigen noten ein. so halb. halb geht aber nicht, halb geht nie. 100 prozent dagegenhalten ist das einzige. 
 




 

 

#127 mit walburga walde, gesang und und andreas schmidt, klavier im sorbischen museum bautzen

das konzert ist ausnahmsweise schön und cohärent, bewegt sich zwischen jazz, neuer musik und archaischem gesang.

andreas und walburga haben schon zusammen gearbeitet. das merkt man.

kronleuchtersaal mit gutem bühnenlicht, guter akustik, flügel.

im vorfeld gibt es viel hektik. andreas steigt nicht aus dem zug in bautzen, wo ich ihn abholen sollte, sondern fährt weiter bis görlitz. er kommt mit dem taxi in allerletzter minute. ausserdem soll eintritt genommen werden, wir haben aber niemanden für die kasse. glücklicherweise besteht das publikum im wesentlichen aus einer reisegruppe und der reiseleiter bezahlt für alle zusammen.

ich habe zu konzertbeginn meinen cello-bogen nicht und renne also, sozusagen als vorprogramm, einen stock höher zum cellokoffer und zurück auf die bühne. applaus.

draussen bahnt sich das kneipen-musik-fest an. wir bitten zwar vor unserem konzert die rock-musikern nebenan um eine 40-minütige gnadenfrist, aber im letzten drittel des konzertes spielen wir quer durch die mauern mit ihnen zusammen.

bei der zugabe sind wir deshalb ziemlich laut.