20110530

#148 mit skop: peter wießenthaner, yulia zezdonkina, gero koenig, in der ava frankfurt

die monochorde der drei, die heute abend skop ausmachen, bilden, trotz unterschiedlichster modifizierung, für mich durchgehend eine klang-einheit. ich weiss nicht und will nicht wissen, wer welchen klang produziert. zuträglich ist, dass peter, yulia und gero hinter meinem rücken agieren.

ich sitze also vor den tischen, auf denen die langen saiteninstrumente liegen und die computer stehen und auf denen auch yulia sitzt und mit der rechten hand ihr monochord bedient. 

denn ihre linke ist sehnenscheiden-entzündet mit mull umwickelt. die junge yulia macht sich prächtig auf dem
weiß beschichteten zeichentisch. 


über die erste zeit des konzertes komme ich mir vor, als säße ich in einer fernöstlichen tropfstein-höhle, deren klang über die jahrtausende zeitgerafft in meine ohr dringt. 

oder hat es eher etwas von einem galaktischen gamelan-orchester und von zeitlupe? geraffte oder gestreckte zeit? beides trifft zu. 

beim zuhörer kommt indes auf alle fälle beruhigendes an und nichts, was einen in hast versetzen oder in bedrängnis bringen würde. 


dann werden die monochorde gesprächiger, für einige zeit verschwindet das zufällige aus dem gruppen-sound, individuelles ragt heraus, das cello agiert dazu wilder und ruppiger, das gefühl tropfsteinhöhle verschwindet völlig.

eine ganz neue dimension kommt ins konzert, als ich mundharmonika und stimme einbringe, die mundharmonika vermutlich unbewusst, um das metallisch-kratzige und das quietschende mancher klänge der monochordisten aufzunehmen.
 
dann verlege ich mich vollends auf die stimme. verlangsamung und intensivierung des konzerts durch noch höhere sensibilität, mit den schwankenden, gleitenden tonhöhen umzugehen.

dummerweise bekomme ich dann einen hustenanfall, der die schöne, meditative intensität jäh unterbricht. peter,gero und julia fangen dieses missgeschick aber wunderbar auf.

der klang von skop entwickelt sich in richtung sirenengeheul, wird lauter, überlagert sich mit entfernt vorbeirasenden motorrädern, irgendwo im hintergrund höre ich aber wieder die tropfsteinhöhle.
 
längst habe ich auch wieder zum cello gegriffen und lasse das singen vorerst sein. setze mich jetzt mit schiebenden und ziehenden rutsch-geräuschen auseinander, produziere ein verhaltene, konzertante virtuosität, die in diesen industrie-geräuschen untergeht, daraus auftaucht, wieder untergeht.

an der musik von skop gefällt mir jetzt, wie schon zu beginn, besonders, dass es mir vorkommt, als ob hier einfach klänge und geräusche da sind, die nicht versuchen, auf mich einzugehen. als ob skop eben keine musik <macht>, sondern klang <ist>. 

dass alleine ich der <musiker> bin, der zunächst in der erwähnten tropfsteinhöhle und dann (nach einem austausch unter musikern im mittelteil) in einer metallverarbeitung sitzt und mit den zufälligen klängen hier wie dort agiert...

in einem zweiten teil spielen yulia und peter sehr ruhig ein sechs-minuten-duo, in einer balance aus zufällig wirkendem und gestaltetem, rund um einen zentralen ton. sehr schön. 

dann ein duo von gero könig und mir, ab wann, ab jetzt?...nach einer minute dreissig geht es los: im gegensatz zu allem, was davor zu hören war, kann man hier von einem duo reden, an dem die ganze zeit 4 ohren beteiligt sind. fünf minuten. jetzt weiss ich, dass gero auch der gewesen sein muss, der im gemeinsamen konzert für die sirenen-klänge zuständig war. 

abschliessend noch eine improvisation, die mit einem rollenden rrrrrrr beginnt und bei der peter wießentahner eine seiner selbstgemachten querflöten spielt. 
vorherrschend ist ein ziemlich schriller, immer wieder anschwellender klang-geschrei-teppich, der durch yulias monochord in den ruhephasen verbunden wird. vielleicht das unbequemste, was es an diesem abend zu hören gibt.
sieben minuten. 


 











roland graeter
+49 178 1364746
roland.graeter@gmx.net
musikmarathon.com
vimeo.com/9573170
http://www.pix-o-rama.de/2011/05/05/auszug-aus-dem-musik-marathon-2011/.
http://sendbigfile.net/download.php?sid=hRz9iWnq

#147 in der kümmerei giessen mit frank rühl, gitarre, georg wolf, kontrabass und peter geisselbrecht, kleiderständer

den nachmittag verbringe ich im schiefer-verschindelten wetzlar. die fussgängerzone hat etwas altmodisches, fast ärmliches. die parkgebühren kosten nur 25 cts. die stunde, gleich an der alten lahnbrücke, die gerade neu geteert wird. aber man kann drüber.

überall sind transparente mit kulturangeboten des sommers von haus zu haus gespannt. wie die wäsche in den gassen italiens.
ich rufe einen makler an, der ein aussen völlig renoviertes, 5-stöckiges fachwerkhaus anbietet. 98000 euro. fördergelder von der stadt wetzlar.

den dom müsste man fertigbauen und ein paar bau-sünden der 70-er- jahre am domplatz abreissen, dann wäre wetzlar ein perfektes schmuckkästchen und es würden mehr touristen kommen. 

man merkt, daß wetzlar mit seiner zukunft kämpft. aber schön ist es hier und die leute sind freundlich.    

ich hole frank rühl um sechs ab, wir trinken noch ein glas wasser, bevor wir zur kümmerei fahren. die kümmerei ist ein verein, der momentan im 3. stock eines giessener stadthauses untergebracht ist und der dazu geschaffen wurde, der örtlichen kultur räume zur verfügung zu stellen.

es kommt ganz gut publikum. auch die presse wird vom konzert berichten.  und sie hat was zu berichten, denke ich. 

das 147. marathonkonzert gelingt farbig und sehr intensiv, auch im zweiten teil nach der pause. im duo mit georg wolf und im trio mit frank rühl und peter geisselbrecht.

das ist aber auch irgendwie kein wunder. die drei musiker (-mit peter geisselbrecht gestern die #146 im duo-) machen zusammen den legendären <improviser's pool giessen> aus.

zunächst ein rechtes wirrwar aus gitarre, stimme, bass und cello. ein holografisches knäuel, aus dem ein bisschen scelsi, ein bisschen oper, etwas "gamelaniges" und nochmals scelsi schimmert. zentralton-bedrohliches. 

viele dicke schwarze hummeln, vom selbsternannten zen-meister besungen. eine verloren-kindliche melodie. fliegende teppiche mit concorde-schnauze, der schweif aus langen fransen.
 
der komplex-dynamische musik-sprach-geräusch-berg wird in häppchen serviert. wir reisen von luftblase zu luftblase in einem bunten schaum aus musikalischem material, immer wieder zu orten, an denen alle tief durchatmen können.

jahrelang könnte man aus diesem pool von virtuos präsentiertem ideen-gefunkel schöpfen!
 
dieses konzert liefert allerbeste unterhaltung und ist schon wieder eines der mit abstand besten auf meiner so ungeheuer eindrucksvollen musikreise.
   
roland graeter
+49 178 1364746
roland.graeter@gmx.net
musikmarathon.com
vimeo.com/9573170
http://www.pix-o-rama.de/2011/05/05/auszug-aus-dem-musik-marathon-2011/.
http://sendbigfile.net/download.php?sid=hRz9iWnq